Verbände gegen den Neubauwahn

5,72 Milliarden Euro für 79 neue Olympia-Bauwerke

Dienstag, 14. Mai 2024 | 14:33 Uhr

Von: Ivd

Bozen – Von den nationalen und internationalen Verantwortlichen der Olympischen Spiele (vom IOC bis zu Lokalverwaltungen) fordern die Promotoren der Initiative „ein einheitliches Portal für die Transparenz der XXV. Winterspiele Milano-Cortina 2026“, das ein Monitoring der wirtschaftlichen und territorialen Auswirkungen der olympischen und paralympischen Spiele ermöglicht.

Laut des Dachverbands Natur- und Umweltschutz stehen über 5,72 Milliarden derzeit bereit, davon 1,6 Milliarden für die Umsetzung der Spiele und 4,12 Milliarden für weitere damit verbundene Baumaßnahmen (davon werden 68 Prozent für 45 Straßenbauprojekte mit einem Gesamtvolumen über 2,816 Milliarden bereitgestellt. Auf die Lombardei allein entfällt laut des Dachverbands ca. die Hälfte der Projekte (52 Prozent) mit einem Kostenanteil von 47 Prozent. “In der Region Venetien werden 13 Bauwerke (16 Prozent aller Projekte) mit einem Kostenanteil von über 33 Prozent realisiert”, so der Dachverband. Die Anzahl der Projekte die auf dem Gebiet der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol realisiert werden sind zahlenmäßig höher als die der gesamten Region Venetien (14 in Südtirol, 13 in Venetien).

Diese Momentaufnahme der Kosten für die XXV. Olympischen und Paralympischen Winterspiele Milano-Cortina 2026 stammt von 20 nationalen und lokalen Verbänden und Vereinen und wird heute als erster Monitoring-Bericht in Pieve di Cadore (als ein Ort inmitten der Spiele) vom Dachverband Natur- und Umweltschutz präsentiert. Es ist die Auftaktveranstaltung der Kampagne „Open Olympics 2026. Wir wollen transparente, korrekte und rechenschaftspflichtige Winterspiele Milano-Cortina“.

„Die von uns vorgelegten Zahlen”, so die beteiligten Verbände, „erheben nicht den Anspruch, eine präzise, vollständige Aufstellung der mit den Spielen verbundenen Bauwerke vorzulegen. In diesem Fall würde sich unsere Petition ‘Open Olympics 2026’, die Forderung nach Transparenz erübrigen. Es gibt bis heute kein einheitliches, offizielles Kostenverzeichnis. Es ist auch nicht unsere Aufgabe als Zivilgesellschaft ein Verzeichnis der Bauwerke und ihrer Kosten zu erstellen. Die Weitervergabe vieler Aufträge erschwert die Datenrecherche noch weiter. Wir wollen mit der Aufbereitung der Daten ein Zeichen setzen, ja wir wollen die Alarmglocken läuten: Es geht hier um große Projekte, die unsere Landschaft maßgeblich verändern werden.”

Die große Sorge um diese Veränderung kam heute in den Appellen der Verantwortlichen der großen Umweltverbände unmissverständlich zum Ausdruck. Darüber sprachen die Präsidenten und Vertreter der 20 Organisationen, die anwesend waren, darunter die nationalen Verbände Libera, Legambiente, Cipra Italia, Mountain Wilderness Italia, CAI. Zu diesen großen Verbänden gesellte sich viele lokale und regionale Vereine und Verbände. „Sie sind die wahren Protagonisten der Forderung nach Transparenz und Integrität der Entscheidungen über die Spiele, weil sie hier zu Hause sind. Die Spiele gehören uns allen. Deshalb haben wir alle auch das Recht zu erfahren, was hier gespielt und warum was gebaut wird“, so der Kommentar von Don Luigi Ciotti, Präsident von Libera.

„Wir fordern Antworten. Wir haben das Recht zu wissen, wie sich die von den Spielen betroffenen Gebiete verändern werden. Es liegt auch in unserer Verantwortung die Baumaßnahmen zu monitorieren. Wir wollen Gewissheit haben, dass mit Ressourcen verantwortungsvoll umgegangen wird. Nur so können wir die Auswirkungen auf unser Leben und unsere Umwelt einschätzen und zugleich jeden Versuch krimineller, mafiöser und korrupter Unterwanderung unterbinden und nicht zwingend notwendige Kosten vermeiden“, heißt es im Bericht weiter.

Bezüglich Transparenz: „Wir wissen häufig nicht, wo die Daten zu finden sind, sodass wir zwischen verschiedenen Portalen und Webseiten wie in einem Ping-Pong-Spiel hin- und herspringen müssen. Von vielen Bauwerken wissen wir nicht, wann sie fertiggestellt und welchen Nutzen sie in Zukunft haben werden. Ebenso häufig ist es schwierig zu erfahren, wer für ein Bauwerk – vielfach in Baulose aufgeteilt – verantwortlich ist und wie kommissarische Verwaltungen die Spielregeln beeinflussen. Selten wissen wir, zu welchem Zweck die Bauwerke errichtet werden. Weil wir in Entscheidungen nicht eingebunden sind, können wir auch deren Auswirkungen nicht beurteilen.“ Daher die Forderung der Verbände: „Völlige Transparenz der olympischen und paralympischen Spiele und der damit verbundenen Baumaßnahmen.“

Nach Ansicht der Promotoren muss für diese Initiative ein „einheitliches Portal zur Transparenz der Winterspiele Milano-Cortina 2026 geschaffen werden, damit die einzelnen Baumaßnahmen in offenen Datenformaten vorliegen und auch die Entscheidungen die im Zusammenhang mit Organisation und Bewerbung der Spiele Schritt für Schritt verfolgt werden können”.

Dieser Appell der 20 beteiligten Organisationen richtet sich ausdrücklich „an alle Beteiligten, vom Internationalen Olympischen Komitee bis zum CONI, von der SIMICO S.p.A. bis zur Anas S.p.A., von der Stiftung Milano- Cortina 2026 bis zum italienischen Ministerium für Sport und Jugend, von den Regionen bis zu den verschiedenen Behörden auf lokaler Ebene“.

Abschließend wurde an die Leitlinien der Spiele erinnert: „Wir fordern, dass Transparenz, Integrität und Fairness, als höchste Werte des Sports in der ‚Olympischen Agenda 2020+5 verankert, auch für die Umsetzung der mit der Olympiade verbundenen Baumaßnahmen gelten“.

Ungeachtet dessen, was die Veranstaltung in Pieve di Cadore bewirken wird, starten die Promotoren zum Abschluss eine neue Initiative zum Comunity-basierten Monitoring (dafür wurde am Nachmittag auch ein spezifischer Workshop abgehalten). Der Dachverband sagt selbst, er wolle keine generellen Anklagen erheben, sondern das Gemeinwohl schützen.

Bezirk: Bozen