Von: APA/dpa
Deutschland hat den ersehnten Traumstart geschafft. Der 5:1-Sieg gegen Schottland am Freitagabend war der EM-Beginn, den sich die Nationalspieler, Bundestrainer Julian Nagelsmann und natürlich die Millionen Fußball-Fans im ganzen Land gewünscht hatten. “Das ist ein überragender Auftakt zu dem, was wir am Ende haben wollen – ein Sommermärchen”, sagte Torschütze Niclas Füllkrug in der Münchner Arena in Erinnerung an das Original bei der Heim-WM vor 18 Jahren.
Nagelsmann sprach von “einem guten und wichtigen Schritt”. Aber wie seine Spieler auch machte er einen bedeutsamen Zusatz: Es sei halt nur “der erste Schritt” gewesen. “Das ist ein Fundament, auf dem wir aufbauen können”, sagte der deutsche Teamchef mit Blick auf die zunächst folgenden Gruppenspiele gegen Ungarn und die Schweiz. Der torreiche Auftakt gegen Schottland hatte viele Sieger – und einige besonders große Gewinner.
Bereits nach 20 Minuten und Toren von Florian Wirtz und Jamal Musiala war die Partie entschieden. Die Jungspunde, beide erst 21 Jahre alt und schon als “Wusiala” durch die Medien gegangen, standen in der gar nicht so jungen deutschen Elf (Durchschnittsalter 28,7 Jahre) sinnbildlich für das neue deutsche Selbstverständnis. Unbekümmert wie in ihren Clubs sollten sie agieren, hatte Nagelsmann vor der Partie gefordert. Das taten sie dann auch. Der als “Man of the Match” ausgezeichnete Musiala war “einfach happy, dass wir so viele Tore geschossen haben. Wir können in die nächsten Spiele mit Selbstbewusstsein reingehen.” Am Mittwoch wartet Ungarn in Stuttgart.
Nagelsmann ersparte sich dank der Vorstellung wieder Fragen über seine Personalentscheidungen vor der EM. Viel war in der Vorbereitung über Ilkay Gündogan geredet und geschrieben worden. Der Kapitän gab die Antwort gegen Schottland auf dem Platz mit vielen starken Aktionen. Die offenbar wichtigste Entscheidung fällte Nagelsmann aber, als er sich dazu entschloss, den bereits zurückgetretenen Toni Kroos wieder in die Nationalelf zu berufen. Gegen Schottland war der Profi von Real Madrid das Metronom im Mittelfeld, ordnete mit seinen klugen Pässen das Spiel der Deutschen und gab mit seiner Ruhe am Ball den Mitspielern die nötige Sicherheit.
“Ich glaube, wir haben das, was wir uns vorgenommen haben, gemacht. Wir haben Schottland nie ins Spiel kommen lassen und souverän gewonnen”, sagte der 34-jährige Kroos, der nach der EM seine Karriere beendet. Doch wie im Spiel ordnet Kroos richtig ein: “Ob man nach einem Spiel schon im Flow ist, weiß ich nicht. Aber wenn wir das rüber tragen ins nächste Spiel, was definitiv schwerer wird, dann können wir von Flow sprechen.”
Weggewischt scheinen jedenfalls alle Bedenken, die nach den teils desaströsen Auftritten seit dem WM-Titel 2014 zurecht geherrscht hatten. Das 5:1 erinnerte in Teilen an das WM-Eröffnungsspiel von 2006, als Deutschland vor dem Turnier ebenfalls am Scheideweg stand, schließlich 4:2 gegen Costa Rica gewann und so eine Euphorie entfachte, welche die Mannschaft bis ins Halbfinale trug. Das damals ausgerufene “Sommermärchen” – es soll fast 20 Jahre später erneut Realität werden.
Das Team habe “Aus Zweifelnden Glaubende gemacht”, wie es ein Kommentar in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” titelte. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz schwärmte gar schon vom 14. Juli, dem Tag des Finalspiels in Berlin. “Also nach dem Auftakt, glaube ich, kann man wirklich hoffen, dass es bis zum Schluss geht und ich bin da ganz zuversichtlich geworden”, sagte Scholz im ZDF-Interview vor der Abreise vom G7-Gipfel in italienischen Bari. “Völlig losgelöst” dröhnte es am Freitagabend kurz vor 23 Uhr bezeichnenderweise über die Lautsprecher der Münchner Arena. Auch die “Bild”-Zeitung atmete auf und schrieb: “Ein Auftritt, der uns alle EM-Ängste und Sorgen nimmt.”