Von: apa
Diskuswurf-Vizeeuropameister Lukas Weißhaidinger hatte eine kurze Nacht hinter sich. Aber trotz Sonnenbrille am Samstagnachmittag in der Römer Arena bereits einen klaren Blick auf das, was bei Olympia folgen könnte. “Ich bin mir nicht sicher, ob ich da nicht Löwen geweckt habe für die Olympischen Spiele. Die wollen jetzt Rache und in Paris zurückschlagen”, sagte der Oberösterreicher. Er selbst will “Gold attackieren”, das bedeute noch viel Arbeit – vor allem an der Flugkurve.
EM-Silber hinter dem Slowenen Kristjan Ceh, vor Weltrekordler und Topfavorit Mykolas Alekna aus Litauen sowie Olympiasieger und Weltmeister Daniel Ståhl kommt für den Oberösterreicher nach einer erst im Oktober begonnenen Technikumstellung. Man wirft nun ähnlich wie Alekna stark aus der Hüfte heraus. “Wir haben Alekna mit seinen eigenen Waffen geschlagen”, sagte Trainer Gregor Högler.
Und das Edelmetall kommt laut diesem zum richtigen Zeitpunkt, denn ein Stockerlplatz auf internationaler Ebene fehlte heuer noch. “Wenn du immer Vierter, Fünfter bist, dann bei Olympia auf dem Podest zu sein, dieses Wunder gibt es selten. Aber wir haben ein kleines Wunder bei der Europameisterschaft vollbracht, damit sind wir zurück im Geschäft.”
Die vom Ministerium finanzierte “Mission Gold” mit fünf Großereignissen von 2022 bis 2024 rief Högler zu einem Zeitpunkt aus, als es zwar einen Ståhl gab, aber keinen Ceh, Alekna oder Matthew Denny (AUS) in dieser Best-Form. “Dann war bei uns Eugene nicht gut, München ganz schlecht, Budapest soso. Ich habe gesagt, zwei Großereignisse haben wir noch. Das war jetzt der Befreiungsschlag, das Finale ist in Paris.”
Nach jeweils Bronze bei EM (2018), WM (2019) und Olympia (2021) ist dies die erste Medaille mit einem anderen Glanz für Weißhaidinger. Ausgerechnet vor dem Olympiajahr die Technik umzustellen, habe viele “seid ihr wahnsinnig!” rufen lassen, berichtete Högler. “Für jeden anderen Trainer und Athleten war das Risiko wahrscheinlich zu hoch, aber wir sind Typen, die sagen, nur die Chance auf eine Medaille macht es schon wert, so viel zu riskieren.”
Weißhaidinger war am Freitagabend lange Vierter gewesen, katapultierte sich mit 67,70 m im fünften Versuch noch auf Platz zwei. Am Ende fehlten in dem Weltklassefeld 38 Zentimeter auf Gold. Den Wettkampf werde er nie vergessen, sagte der 32-Jährige, in Österreich bereits neunmal Leichtathlet des Jahres. “Dass ich mich Vizeeuropameister nennen darf, ist richtig cool.” Was folgte, war eine Nacht mit erst literweise Wasser, um genug Urin bei der Dopingprobe abliefern zu können, und dann auch dem einem oder anderen Gläschen Wein.
Das Feiern mit Familie und Freunden gehöre dazu, man könne nach einem Erfolg nicht einfach so zu Bett gehen, sondern müsse den Prozess mitmachen und verarbeiten. “Wenn man einen Weltrekordhalter schlagen muss für eine Silbermedaille, ist das schon richtig stark.” Die Erfahrung vieler Wettkampfjahre habe ihn etwas ruhiger gemacht, das sei der Schlüssel gewesen. “Und das gibt mir für die Olympischen Spiele noch mal mehr Sicherheit und eine breitere Brust.”
Denn Europa sei im Diskuswerfen gleichzusetzen mit der Welt. “Der Australier Denny kommt noch dazu. Aber sonst war alles da. Deshalb glänzt diese Medaille schon sehr weltmeisterlich.” Weißhaidinger ordnet sie vom Stellenwert her auf einer Stufe mit jener bei Olympia ein, für Högler ist sie “hundertprozentig” die wertvollste. “Denn bei Olympia waren die Gegner viel leichter. Und viele haben uns das nicht mehr zugetraut.”
Am 17. Juni beginnt die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele, bis zur Qualifikation am 5. August in Paris hat Weißhaidinger mit den Staatsmeisterschaften und Hengelo nur noch zwei Wettkämpfe. An der Flugkurve gilt es noch zu arbeiten, denn anstatt flach zu landen, steckt der Diskus nach dem Aufkommen oftmals fest. “Die aerodynamische Güte war nicht sehr gut. Aber er hatte einen Riesenbums drauf”, stellte Högler fest.
Aggressivität und Abwurfgeschwindigkeit funktionieren bereits sehr gut, doch für Paris wird es noch ein, zwei Meter mehr benötigen, und das geht über die Flugkurve. Högler: “Luki hat in Rom zwei Superstars geschlagen und einen knapp nicht. Ich sage, was einmal geht, geht zweimal, was zweimal geht, geht immer.” Für Olympia gebe es nun “keine Limits” mehr, man habe eine breite Brust, aber freilich sei nicht davon ausgehen, dass man das Weltklassefeld jeden Tag schlage. “Der Hunger nach Medaillen ist nicht gestillt”, versicherte Weißhaidinger.
(Birgit Egarter/APA aus Rom)