Von: APA/dpa
Die Frage, ob er Vertrauen in faire und saubere Olympische Spiele habe, beantwortet US-Schwimmstar Caeleb Dressel unmissverständlich. “Nein”, sagte der siebenmalige Olympiasieger. Schon bevor der erste Schwimmer in Paris ins Wasser springt, liegt ein Schatten über den Wettkämpfen in der La Défense Arena. Die Doping-Debatte um 23 positiv getestete chinesische Topschwimmer belastet das Verhältnis zwischen Sportlern, Funktionären und Doping-Jägern.
Der Fall ist zum Fiasko für die Glaubwürdigkeit im Anti-Doping-Kampf geworden. Die Affäre geht längst weit über den Schwimmsport hinaus. Dass das US-Justizministerium eine Untersuchung in der Sache angestoßen hat, missfällt der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zutiefst. So sehr, dass das IOC Salt Lake City als Gastgeber der Winterspiele 2034 unter Druck setzt. Das Komitee bestand vor der Wahl der Stadt im US-Bundesstaat Utah zum Olympia-Ausrichter auf einer zusätzlichen Vertragsklausel zum Schutz der WADA. Diese und die amerikanische USADA streiten längst offen.
Auch China stört die Rolle der USA. Außenamtssprecher Lin Jian kritisierte jüngst, die USA nähmen internationale Organisationen ins Visier, um chinesische Athleten zu diffamieren und deren Olympia-Teilnahme zu beeinflussen. In die Schlussfolgerungen des Schweizer Ermittlers habe China Vertrauen. Sein Land unterstütze die WADA dabei, ihre unabhängige und gerechte Führung global umzusetzen.
Zu den scharfen Kritikern der Doping-Jäger zählt auch Schwimm-Legende Michael Phelps. “Als Athleten können wir nicht weiter blind der Welt-Anti-Doping-Agentur vertrauen – eine Organisation, die immer wieder beweist, dass sie entweder unfähig oder unwillig ist, ihre Regeln weltweit durchzusetzen”, sagte der 23-malige Olympiasieger jüngst vor einem US-Ausschuss.
Im April war durch Medienrecherchen bekanntgeworden, dass 23 chinesische Schwimmerinnen und Schwimmer bei einem nationalen Wettkampf in China Anfang 2021 positiv auf das Herzmittel Trimetazidin getestet worden waren. Sie wurden jedoch nicht gesperrt. Die Chinada führte die Positivtests auf Verunreinigungen in einer Hotelküche zurück, die WADA folgte dieser Bewertung. Das sorgte für Unverständnis vieler Sportler und Funktionäre – auch, wenn ein unabhängiger Ermittler aus der Schweiz später kein Fehlverhalten der WADA feststellte.
Elf der positiv getesteten Schwimmerinnen und Schwimmer sind nun auch in Paris dabei. Die ARD-Dokumentation “Geheimsache Doping: Schmutzige Spiele” nährte zuletzt weitere Zweifel an der offiziellen Version der Geschichte. Ein Chat soll zeigen, dass sich zur Zeit der Positivtests gar nicht alle Sportler im selben Hotel aufgehalten haben. Wie sollen sie dann Opfer von Verunreinigungen in der Hotelküche geworden sein? Zwar lassen sich die Nachrichten, die von einem Athleten selbst stammen sollen, laut ARD nicht unabhängig vor Ort überprüfen, ohne Sportler und Informanten in Gefahr zu bringen. Zu zusätzlichem Vertrauen trägt der Bericht aber nicht bei.
Das versucht der Schwimm-Weltverband mit einer Test-Offensive zu schaffen und veröffentlichte vor dem Olympia-Start Zahlen zu eigenen Dopingkontrollen. 2.145 Tests von Olympia-Athleten hat World Aquatics nach eigenen Angaben seit dem 1. Jänner durchgeführt. In Kombination mit den Tests anderer Anti-Doping-Organisationen seien chinesische Schwimmer durchschnittlich 21-Mal in diesem Jahr getestet worden. Zum Vergleich nennt World Aquatics auch die Tests bei anderen Top-Nationen: Schwimmer aus dem Team USA sollen im Schnitt sechsmal, jene aus Australien viermal auf Doping überprüft worden sein. “Wir haben Vertrauen in die Arbeit, die gemacht wurde”, sagte World Aquatics Präsident Husain Al-Musallam.