Von: APA/dpa
Der Kongress des Fußball-Weltverbands hat am Freitag nicht über einen Ausschluss des israelischen Verbands abgestimmt. Die FIFA ließ einen Antrag des palästinensischen Verbands auf eine Abstimmung durch die Versammlung der 211 Mitgliedsverbände nicht zu. Vorausgegangen waren im Konferenzcenter in Bangkok emotionale Wortbeiträge beider Seiten zum Gaza-Krieg. FIFA-Präsident Gianni Infantino kündigte die Beauftragung eines Gutachtens von unabhängigen Rechtsberatern an.
Zudem werde es eine außerordentliche Sitzung des FIFA-Councils vor dem 20. Juli geben. “Das Council hat wiederholt, dass der Fußball niemals die Geisel der Politik werden darf”, sagte Infantino. “Eine Kraft, die die Menschen vereint.” Der Weltverbandschef betonte, dass der Antrag des palästinensischen Verbands in die Kompetenz des Councils falle. “Während der Councilsitzung am Mittwoch haben alle Ratsmitglieder beschlossen, die Gewalttaten zu verurteilen”, sagte Infantino.
Der Vorsitzende des palästinensischen Verbands (PFA), Dschibril Radschub, richtete scharfe Vorwürfe an Israel, begründet wurde der Antrag im Kern mit Verstößen gegen die FIFA-Statuten, die die Einhaltung der Menschenrechte vorschreiben. Der Präsident des israelischen Verbands, Moshe Zuares, wies die Vorwürfe deutlich zurück. Der Antrag habe nichts mit den Werten des Fußballs zu tun, diesen von der Politik zu trennen.
“Ich bete für die Mütter, die ihre Kinder verloren haben. Ich bete für die Kinder, die ihre Eltern verloren haben. Ich bete für all diejenigen, die das Unvorstellbare erleiden. Ich bete für sie alle”, sagte Infantino. “Wie sie alle möchte ich nur eine einzige Sache: Frieden.” Auslöser des Gaza-Kriegs war das Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübten. Sie töteten 1.200 Menschen, nahmen 250 weitere als Geiseln und verschleppten sie in den Gazastreifen.
Im folgenden Krieg wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 35.000 Palästinenser getötet, wobei die unabhängig kaum zu verifizierende Zahl nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet. Die hohe Zahl ziviler Opfer und die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung haben international scharfe Kritik am Vorgehen Israels ausgelöst.
Die Israel-Palästina-Thematik war aber nur eine von vielen, die am Freitag in Bangkok behandelt wurde. Präsentiert wurde auch eine fünf Punkte umfassende Kampagne im Kampf gegen Rassismus. Einer davon ist ein neues Handzeichen – die flachen Hände werden an den Handgelenken gekreuzt – mit dem Spieler rassistische Vorfälle dem Schiedsrichter melden können. “Wir müssen aufstehen und Rassismus bekämpfen – und gemeinsam besiegen”, verlautete Infantino. “Wir können nicht mehr akzeptieren, was auf den Plätzen passiert, was auf den Rängen passiert.”
Alle FIFA-Mitgliedsverbände sollen Rassismus als Verstoß verpflichtend in ihre Disziplinarcodes aufnehmen. Zudem solle sich der Fußball dafür einsetzen, dass Rassismus in jedem Land als strafbare Handlung anerkannt und verfolgt werde, heißt es in der Kampagne. Es sollen mit Schulen und Regierungen Bildungsinitiativen entwickelt und es soll ein neues Gremium mit früheren Spielern geschaffen werden, das die Implementierung dieser Maßnahmen überwacht.
Vorangetrieben wurde in Bangkok zudem die erwartete Doppel-Vergabe der Männer-WM-Turniere 2030 an sechs Nationen auf drei Kontinenten und 2034 an Saudi-Arabien. Termin für die Vergabe ist der 11. Dezember 2024. Der Kongress beschloss nun die nötige Statutenänderung, die den Zuschlag für zwei Weltmeisterschaften am selben Tag durch die Mitgliederversammlung möglich macht, sollte das Council dies so entscheiden. Abgestimmt werden soll kurz vor Weihnachten bei einem Online-Kongress.
Nach dem skandalumtosten Zuschlag der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar hatte die FIFA diese Doppelvergaben eigentlich abgeschafft. Diese Reform nach der großen Krise des Weltverbandes vor knapp zehn Jahren wurde nun wieder zurückgedreht. Die Bestätigung der Gastgeber für 2030 und 2034 ist nur noch Formsache, es gibt jeweils nur eine Bewerbung: In sechs Jahren soll das Turnier in Spanien, Portugal und Marokko stattfinden, dazu soll es jeweils ein Spiel in Argentinien, Paraguay und Uruguay geben. Für 2034 ist Saudi-Arabien als Ausrichter auserkoren.
Geschaffen wurden von der FIFA in Bangkok auch formale Voraussetzungen für einen theoretischen Abschied von seinem Stammsitz in Zürich. Eine beschlossene Statutenänderung besagt, dass die Zentrale in Zürich liegt – bis der Kongress eine Entscheidung über den Stammsitz trifft. Eine derartige Einschränkung gab es bisher nicht. Die FIFA sitzt seit 1932 in Zürich. Der Weltverband betonte auf Anfrage, dass die FIFA in der Schweiz “glücklich” sei.