Von: mk
Sterzing – Die Spiele von Rio sind Geschichte und vielerorts wird Bilanz gezogen. In einem Focus-online Artikel von Sylvia Schenk werden interessante Fragen aufgeworfen. „Was erwartet Deutschland von seinem Spitzensport, Medaillen oder Werte oder beides? Und wie könnte der Weg dorthin aussehen?“ oder wieviel Investitionen aus Steuermitteln hält die Gesellschaft für gerechtfertigt?
Es ist gut sich mit solchen Fragen zu beschäftigen, denn eine Reflexion über den Sport im Allgemeinen und den Spitzensport im Besonderen tut Not. Das findet zumindest der Sterzinger Lehrer und Sportpsychologe Dr. Martin Volgger.
„Fangen wir mit der Förderung des Sports im Kindes- und Jugendalter an. Wohin soll es gehen? Geht es um Leistung, Spaß, Gesundheitsförderung, der Vermittlung von Werten, sozialen Effekten (z.B. Integration) oder um Persönlichkeitsentwicklungschancen? Was steht wirklich im Vordergrund der Vereins- und Verbandstätigkeit, der Förderungspolitik und wie können wir mehrere Ziele miteinander in Einklang bringen? Geht das überhaupt? Und ja, will man das überhaupt?“, fragt Volgger, der auch Präsident des Vereins für Sportpsychologie und Mentaltraining ist.
Wenn man nicht wolle, dass der Leistungsgedanke alles andere überstrahlt – das sei in Südtirol nicht anders als anderswo –, dann müsse man sich konkret mit diesen Fragen auseinandersetzen. Volgger meint damit nicht nur Trainer, Verbandsfunktionäre, Athleten oder die politischen Entscheider, sondern auch Eltern müssten sich in die Diskussion einbringen und ihre Vorstellungen deponieren.
„Wenn es dann nicht nur bei gut gemeinten Absichtserklärungen bleiben soll, dann müssen konkrete Programme zur Umsetzung von Persönlichkeitsentwicklungsförderungen, zur Vermittlung von Werten, Spaß, Integrationschancen oder der Förderung des Gesundheitsbewusstseins ausgearbeitet und aktiv umgesetzt werden“, so Volgger.
Der Spitzen- oder der Leistungssport wirft laut Volgger kaum weniger Fragen auf. „Höher, schneller, weiter ohne Rücksicht auf Verluste? So manch einer ruft nach der Freigabe des Dopings, damit würde die Heuchelei im Spitzensport aufhören. Klingt logisch, was aber wären die Folgen. Welche Eltern würden ihre Kinder in den „Pharmasport“ begleiten? Könnten sich Sportler dann überhaupt noch frei für oder gegen Doping entscheiden? Würden die Athleten in totalitären Staaten zu Versuchskaninchen der Pharmaindustrie? Wer steht auf dem Siegerpodest? Athlet und Sportmediziner (der sollte dann wohl ethische Probleme haben), ähnlich wie im Motorsport? Will die Gesellschaft alles, wirklich alles dem Prinzip des Gewinnens unterordnen? Doping ist aber nur ein Aspekt, die Rolle der Medien, der Wirtschaft aber auch der Sportverbände sind zu beleuchten und kritisch zu hinterfragen. Nutzen wir doch alle die „Spiele“, um über den Sport und seine vielen positiven Möglichkeiten nachzudenken und negative Entwicklungen einzubremsen“, erklärt Volgger abschließend.