Von: APA/sda/dpa/Reuters
Für die Niederlande lebt die Titel-Chance weiter. Der Drittplatzierte der schwierigen Österreich-Gruppe D steht nach einem hart erkämpften 2:1-Sieg gegen die Türkei erstmals seit 20 Jahren wieder im Halbfinale der Fußball-EM. Der Glaube an die Wiederholung des Coups von 1988, als “Oranje” den bisher einzigen EM-Titel holte, ist da. “Unsere Mission ist noch nicht vorbei. Wenn man ein Halbfinale spielt, will man auch das Finale erreichen”, sagte Bondscoach Ronald Koeman.
Mit Koeman, der 1988 als Spieler erlebte, gingen in der ersten Euphorie am Samstag in Berlin fast die Pferde durch. “Ich würde lieber gegen Spanien spielen, gegen Frankreich haben wir schon in der Gruppenphase gespielt (0:0, Anm.)”, antwortete der Trainer auf eine entsprechende Final-Frage, und zügelte sich sogleich selbst: “Zuerst müssen wir England schlagen.”
Nach einer schwachen ersten Hälfte, als die Türken mit Erfolg den anfänglichen Elan der Elftal ausbremsten, reagierte auch Koeman in der Halbzeitpause entscheidend. Wie schon so oft, wenn dem Spiel der Niederländer etwas fehlte, kam Wout Weghorst in die Partie. Mit seinen 197 Zentimetern Körperlänge und der entsprechenden Kopfballstärke brachte der in der letzten Saison von Burnley an Hoffenheim ausgeliehene Stoßstürmer genau jenes Element in die Partie, das den Niederländern bis dato gefehlt hatte.
Weghorst holte den Corner heraus, der zum Ausgleich führte und hielt bei der entscheidenden Szene geschickt den Gegenspieler von Torschütze Stefan de Vrij weg. Er hatte nicht nur beim Siegtreffer seine Füße im Spiel, sondern rettete in der Schlussphase gegen die drückenden Türken auch in der Defensive einmal in extremis.
“Er hat auf jeden Fall sehr geholfen”, sagte Verteidiger Nathan Aké über seinen Mitspieler: “Es ist ein Alptraum, wenn man gegen ihn spielt. Er ist stark, er ist eine Plage im Strafraum und er kämpft um alles, er rennt allem hinterher. Er ist für uns eine große Bereicherung.”
Eigentlich erstaunlich, dass Koeman den Stürmer noch nie von Beginn weg gebracht hat, obwohl augenscheinlich ist, dass die Niederländer mit ihm mehr Durchschlagskraft entwickeln. Auf die taktischen und personellen Überlegungen seines Trainers wollte Weghorst nach der Partie nicht eingehen. Lieber feierte er ausgelassen vor und mit den Fans und sagte später: “Das sind Momente für das Leben, das ist Wahnsinn und pure Freude.”
Ob Koeman am Mittwoch in Dortmund gegen England von Beginn weg auf den Stürmer setzt, oder ob er ihn erneut als Joker bringen wird, wird sich zeigen. Argumente für eine erstmalige Startelf-Nominierung hat Weghorst bei dieser Endrunde auf jeden Fall gesammelt. Bereits beim Auftaktspiel gegen Polen schoss der 31-Jährige seine Mannschaft als “Joker” zum Sieg.
Den Traum vom EM-Titel lebt auch Weghorst. “Es ist echt drin. Das Gefühl war immer da und wächst, es wird immer größer und größer”, sagte Weghorst: “Es ist möglich.”