Von: APA/dpa
Der Skisprung-Skandal um vorsätzlich manipulierte Anzüge hat bei den Norwegern zu ersten personellen Konsequenzen auf der Führungsebene geführt. Trainer Magnus Brevig wurde am Tag nach dem Ende der Nordischen Ski-WM in Trondheim ebenso suspendiert wie der ebenfalls involvierte Mitarbeiter Adrian Livelten. Die disqualifizierten Springer Marius Lindvik und Johann André Forfang wiesen jede Beteiligung von sich, ein erster Sponsor ist abgesprungen.
Der Verband zog damit erste Konsequenzen aus dem Anzug-Betrug, den Sportdirektor Jan Erik Aalbu am Sonntag unter wachsendem Druck gestanden hatte. Anonym gefilmte und veröffentlichte Videos sorgen im Skispringen seit Samstag für große Aufregung. Auf den Bewegtbildern ist zu sehen, wie das norwegische Team im Beisein des 41 Jahre alten Brevig die Wettkampfanzüge auf unzulässige Art und Weise bearbeitet.
Brevig: “Bewusste Handlung”
“Was wir getan haben, ist, die Anzüge so zu manipulieren oder zu modifizieren, dass sie gegen die Regeln verstoßen. Es war eine bewusste Handlung, und folglich ist es Betrug”, sagte Brevig am Montag. “Es war eine gemeinsame Entscheidung, aber ich hätte es als Cheftrainer auf jeden Fall stoppen müssen.” Er bedauere sein Verhalten zutiefst.
Die WM-Gastgeber haben ein steifes Band in ihre Anzüge genäht, das für mehr Stabilität und einen Wingsuit-Effekt nach dem Absprung sorgen soll. Aalbu will von den Praktiken nichts gewusst haben. Das Traineramt übernimmt nun zunächst der frühere slowenische Skispringer Bine Norcic.
Lindvik und Forfang beteuerten Unschuld
Aufgrund der Manipulation waren direkt nach dem Großschanzen-Einzel der ursprünglich zweitplatzierte Lindvik und Forfang disqualifiziert worden. Die beiden Lokalmatadore zeigten sich in einer gemeinsamen, über den nationalen Verband veröffentlichten Erklärung tief getroffen und meinten, nichts von den Manipulationen gewusst zu haben.
Normalschanzen-Weltmeister Lindvik und Forfang betonten in ihrer Stellungnahme auch, dass sie niemals wissentlich mit manipulierten Anzügen gesprungen wären. Sie entschuldigten sich zudem dafür, nicht zeitnah nach dem am Samstag ausgetragenen Bewerb Stellung bezogen zu haben. “Wir sind beide absolut am Boden zerstört. Keiner von uns wäre mit Anzügen gesprungen, von denen wir wussten, dass sie manipuliert waren. Nie und nimmer”, hieß es von den beiden Athleten.
“Auch wir Sportler tragen Verantwortung dafür, dass der Anzug passt”, ließen Lindvik und Forfang mitteilen. “Aber wir haben keine Routinen, um die Arbeit der Betreuer zu kontrollieren.” Gold von der Normalschanze hat Lindvik behalten dürfen. Der deutsche Vize-Weltmeister Andreas Wellinger trauerte in einem Instagram-Video daher dem verlorenen WM-Titel nach und fragt sich: Ging eine Woche zuvor wirklich alles mit rechten Dingen zu? Wäre ich eigentlich Weltmeister?
Das Ausmaß des Skandals ist unklar. Sportdirektor Aalbu räumte am Sonntag ein, dass der Verband “nur” bei zwei Anzügen wissentlich betrogen habe. Die teilweise skurrile Runde mit etwa 40 Journalisten gipfelte in einer Aussage Aalbus, wonach man “letzte Nacht festgestellt” habe, “dass wir betrogen haben”. Der 61-Jährige genießt weiter das Vertrauen des Verbands.
Kritik des ÖSV und von Hannawald
Unter anderem vom österreichischen Skiverband (ÖSV) gab es für den Auftritt Aalbus scharfe Kritik. “Es gab null Einsicht. Das war sehr eigentümlich, arrogant und nicht sehr glaubwürdig”, sagte Geschäftsführer Christian Scherer. ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher forderte eine Annullierung aller Ergebnisse im Skispringen und der Nordischen Kombination.
Der ehemalige deutsche Star-Springer Sven Hannawald ging in der Debatte sogar so weit, sich große Sorgen um seine Sportart zu machen. “In meinem schlimmsten Alptraum hätte ich nicht gedacht, dass es so weit kommt. Ich hoffe, dass alle Entscheidungsträger endlich aufwachen und sich ein rigoroses Reglement überlegen. Ansonsten kann man Skispringen in zwei Jahren beerdigen”, sagte der 50-Jährige der “Bild”-Zeitung.
Einer von sechs Verbands-Hauptsponsoren zog sich zurück
Der Weltverband FIS richtete eine Untersuchungskommission ein, um herauszufinden, ob weitere Bewerbe im Skispringen sowie in der Nordischen Kombination davon betroffen waren. Zumindest Geld ging im Verband jedenfalls bereits verlustig, denn einer der sechs Hauptsponsoren des norwegischen Skisprungverbandes zieht sich per sofort aus der Sponsoringvereinbarung zurück, schrieb VG. Es sei nicht vereinbar, das Logo auf den Trikots einer Mannschaft zu haben, die betrügt, hieß es von Seiten des nun ehemaligen Unterstützers, einer Anwaltskanzlei.
Es wird jedenfalls spannend zu sehen sein, wie die sportlichen Rivalen die Norweger bei den nächsten Weltcup-Stationen behandeln. Kurioserweise geht es für den Weltcup nach der WM direkt wieder nach Norwegen. Am Donnerstag (17.00 Uhr) steigt in Oslo das erste Einzel nach dem großen Schanzen-Skandal.
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