Von: apa
Zweiter Fünf-Satz-Krimi, wieder ein Happy End: Sebastian Ofner hat auch in der zweiten Runde der Tennis-French-Open einen 0:2-Rückstand wettgemacht und den als Nummer 20 gesetzten Argentinier Sebastian Baez mit 3:6,3:6,6:4,7:5,7:6(10:5) niedergerungen. Nach 4:13 Stunden Spielzeit verwandelte der Steirer seinen ersten Matchball und erarbeitete sich ein Drittrundenduell mit dem Franzosen Corentin Moutet. Das Aus kam hingegen für Filip Misolic gegen Francisco Cerundolo.
Ofner ließ sich von drei Regenunterbrechungen nicht aus dem Konzept bringen und zeigte neuerlich Comeback-Qualitäten. Das auch deswegen, weil bei Österreichs Nummer eins ausgerechnet im fünften Satz der Aufschlag am besten funktionierte. Für seinen 3:6,4:6,7:6(2),6:2,7:5-Erfolg in der Auftaktrunde gegen den Franzosen Terence Atmane hatte er 3:35 Stunden benötigt, nun war er noch länger auf dem Platz. “Der fünfte Satz war arg, ich habe generell die Müdigkeit gespürt und dass ich relativ am Limit war”, sagte Ofner.
Mitte des Champions-Tiebreaks hätten sich beginnende Krämpfe in beiden Oberschenkeln bemerkbar gemacht. Dank des komfortablen Vorsprungs sei es ihm leichter gefallen durch zu beißen. “Direkt nach dem Match war es unfassbar, dass ich es so gedreht habe”, meinte der ÖTV-Akteur. Der Sieg sei “ganz weit oben” in seiner persönlichen Highlight-Liste einzuordnen. Allerdings unter dem Sieg gegen Atmane. “Das war noch einmal was Anderes. Mit den Fans, die für ihn waren und der Entscheidung im vierte Satz war das eine kleine Spur drüber”, meinte Ofner. Seine Leistung sei aber definitiv “um einiges besser” gewesen.
Dafür auch die Strapazen größer. Da ist es nicht förderlich, dass er am Freitag wieder spielen muss – und das wie schon in Runde eins gegen einen Lokalmatador, der für das 6:4,6:2,0:6,6:3 über den Kasachen Alexander Schewtschenko “nur” 2:53 Stunden benötigte. Die Partie geht auf dem nicht überdachten Show-Court Simonne-Mathieu über die Bühne. “Ich finde es schon ein bisschen ‘strange’ und komisch, dass man bei einem Grand Slam nach einem Vier-Stunden-Match am nächsten Tag gleich wieder spielt. So einen Stress haben die auch nicht. Aber es ist, wie es ist. Ich werde schauen, dass ich Gas gebe und vielleicht einmal nicht fünf Sätze spiele.”
Moutet bezeichnete er als “ein bisschen eine Wundertüte”. Der 25-Jährige liegt im Ranking als 79. hinter Ofner (45.). Der Steirer darf sich berechtigte Hoffnungen auf die Wiederholung seines Achtelfinal-Einzugs von 2023 machen. “Man weiß bei ihm nie, was passiert, er hat einen unglaublichen Touch, ist ein Lefty, was das Ganze erschwert”, sagte Ofner. So wie am Donnerstag könnte der Regen am Freitag zum Spielverderber werden, in dem Fall wäre Ofner glücklich darüber.
Im ersten Duell mit Ofner erwischte der nur 1,70 m große Baez auf dem Court 3 mit einem frühen Break den besseren Start, Ofner kämpfte sich aber zurück. Just als der 28-Jährige den Anschluss zum 2:3 schaffte, riss aber der Faden. Der immer wieder mit seiner Vorhand punktende Baez schaffte das Rebreak und profitierte von vielen Fehlern seines Kontrahenten. Ofner stemmte sich gegen den Satzverlust, wehrte fünf Satzbälle ab, musste den Satz aber abgeben.
Baez erwischte Ofner auch im zweiten Durchgang auf dem falschen Fuß. Nach 2:1 für den Argentinier hieß es zusammenpacken. Ein Regenschauer kam auf, die Spieler verschwanden in den Kabinen. Nach etwas mehr als 50 Minuten ging es weiter. Ofner erarbeitete sich noch die Breakchance zum 4:5, die sein Gegenüber aber abwehrte. Der 28-Jährige war in Folge wieder mit 0:2 in Sätzen zurück.
Er nahm im dritten Satz mehr Risiko und wurde belohnt. Breaks zum 2:1 und – nach einer kurzen zweiten Regenpause – 5:2 ebneten ihm den Weg zum Satzgewinn, ehe erneut Schluss war. Knapp drei Stunden dauerte es diesmal, bis wieder gespielt wurde. Ofner vergab auf dem tiefen Platz seine erste Chance, Baez kam heran. Im zweiten Versuch servierte der Steirer zum Satzgewinn aus.
Den Schwung nahm er mit, schaffte ein Break und hielt diesen Vorteil bis zum Rebreak von Baez zum 4:4. Ofner ließ die Chance aus, seinem Gegner gleich wieder den Aufschlag abzunehmen, holte das aber zum 6:5 dank Netzglück nach und servierte in der Folge aus. “Ofi”-Sprechchöre von den Rängen sorgten immer wieder für zusätzliche Motivation.
Im fünften Satz konnte Ofner bei größtenteils Sonnenschein bei 0:1 vier Breakchancen abwehren und mit einem Zu-Null-Break zum 2:1 erstmals in Führung gehen. Bei 4:3 agierte der Steirer bei mehreren Ballwechseln zu fehlerhaft und bekam mit dem Aufschlagverlust die Rechnung präsentiert. Dadurch konnte Baez wieder vorne weg servieren, Ofner rettete sich aber ins Champions-Tiebreak.
Dort zog er vor seinen Eltern vorne weg und spielte seinen Vorteil nach Hause. Und das gegen einen sechsfachen ATP-Turniersieger, der dieses Jahr in Santiago de Chile und Rio de Janeiro Titel gewonnen hat. “Ich habe in den ersten zwei Sätzen zu passiv gespielt, ein paar Fehler zu viel gemacht”, verlautete Ofner. Danach habe er sein Spiel umgestellt und teilweise auf einem “irren” Niveau agiert. Die neuerliche Wende samt “alles andere als einfacher” Belastung durch die Unterbrechungen gelang ohne der Hilfe von Mentaltraining. “Mental dürfte ich Glück haben, dass ich so bin, ich habe noch nie was gemacht in dem Bereich, bin nicht der Typ dafür.”
Hilfreich war die Unterstützung vom Publikum. “Die war richtig gut. Es hat mich extra gepusht, dass viel mehr für mich waren. Der kleine Österreich-Sektor war richtig cool und geil”, sagte Ofner. Diese Fan-Unterstützung hatte Misolic gegen den auf Position 23 eingestuften Cerundolo nicht. Für ihn wäre nach einer frühen Unterbrechung im ersten Satz nur im zweiten Durchgang mehr möglich gewesen. Danach stand der Steirer auf verlorenem Posten und zog nach etwas mehr als zwei Stunden mit 2:6,6:7(2),0:6 den Kürzeren.
Damit endete der österreichisch-argentinische “Länderkampf” mit einem Unentschieden. Für den aus der Quali gekommenen Misolic war es trotzdem ein erfolgreiches Turnier, er wird sich unter die Top 200 der Rangliste schieben.