Rangnicks Sorgenfalten lösten sich nach der Pause in Wohlgefallen auf

Rangnick nach Weckruf in der Schweiz zuversichtlich zur EM

Sonntag, 09. Juni 2024 | 05:01 Uhr

Von: apa

Ralf Rangnick war froh über den Weckruf neun Tage vor dem EM-Auftaktspiel gegen Frankreich. Mit der ersten Hälfte bei der Generalprobe am Samstag in der Schweiz (1:1) war Österreichs Fußball-Teamchef alles andere als zufrieden. Der Deutsche vermisste die für seinen Stil notwendige Energie im Spiel. “Das nervt mich kolossal”, sagte Rangnick. Weil ein derartiges Auftreten im ÖFB-Team aber eher die Ausnahme als die Regel sei, gehe er zuversichtlich in die EM.

“Wenn wir so wie hier in der ersten Halbzeit gegen Frankreich spielen, wird es bitter. Dann haben wir keine Chance”, meinte Rangnick. Er sei aber überzeugt, auch gegen die starken EM-Gegner reüssieren zu können. “In dieser Gruppe können wir nur gewinnen.” Wenn man Wahrscheinlichkeiten abschätzen wolle, solle man in einem Wettbüro nach den Quoten fragen. “Ich glaube nicht, dass wir da unter den Top zwei sind in der Gruppe.”

Nach den Franzosen (17. Juni) warten Polen (21. Juni) und die Niederlande (25.). “Wenn wir mit dem richtigen Energieniveau spielen, bin ich guter Dinge, dass wir auch gegen die Topnationen in unserer Gruppe gut aussehen können”, sagte Rangnick. “Dann ist es gegen uns nicht so einfach, Torchancen zu kreieren.” Das musste auch die Schweiz, der ohne ihren noch verletzten Sturmtank Breel Embolo die Durchschlagskraft fehlte, anerkennen.

Rangnick fehlte in Hälfte eins vor allem die Bereitschaft zu Sprints. “Es gab viel zu wenig Aktionen, in denen wir auf dem Vorfuß waren.” Für das von ihm verlangte Pressing müsse der erste Sprint sitzen. “Es gab aber überhaupt keinen ersten Sprint. Wir haben die Grundtugenden vermissen lassen, die unser Spiel auszeichnen.” Seine Botschaft zur Pause: “Es geht nicht mit ein bisschen. Ein bisschen schwanger, das gibt es auch nicht. Entweder richtig oder gar nicht – anders geht es mit unserer Spielweise nicht.”

Die Erklärung für den Leistungsabfall vermutete Rangnick vor allem in den Köpfen seiner Spieler. “Wir waren auf Reisen, es war das letzte Spiel vor der EURO. Verletzen will sich dann auch keiner mehr.” Zudem habe man davor sechs Spiele in Folge gewonnen. “Alle loben uns in den Himmel. Jetzt sind wir auf einmal schon einer der Geheimfavoriten – dann macht man plötzlich ein bisschen weniger. Das ist vielleicht menschlich, hilft uns aber nicht.”

Er sei froh, dass die Generalprobe so gelaufen sei, sagte der 65-Jährige. “Wichtig war: Die Mannschaft hat gemerkt, dass es nach dem Hochschalten in den fünften, sechsten oder auch einmal in den siebenten Gang wieder ein völlig anderes Spiel war.” Im Offensivspiel sei noch Luft nach oben. “Ich bin weit davon entfernt zu sagen, alles ist paletti.” Er sei aber überzeugt, mit der aktuell besten Elf genug Torchancen herausspielen zu können. “Das ist meine geringste Sorge. Aber wir brauchen möglichst alle Mann an Bord.”

Mit David Alaba, Xaver Schlager und nun auch Torhüter Alexander Schlager fallen bereits drei Stammspieler mit Knieverletzungen für das Turnier aus. In der Innenverteidigung sprach Rangnick von einem “Luxusproblem”, zumal neben Kevin Danso und Maximilian Wöber auch Gernot Trauner und Philipp Lienhart wieder zur Verfügung stehen. “Vor drei Wochen hat das noch ganz anders ausgesehen.” Trauner zeigte in St. Gallen eine starke Partie, Lienhart absolvierte erstmals seit Dezember ein Spiel von Beginn an. Sein linker Fuß im Spielaufbau könnte aber für Wöber neben Danso sprechen.

Im Mittelfeld-Zentrum brachte der eingewechselte Florian Grillitsch Ruhe ins Spiel. “Wenn er so spielt, ist er ein absolut ernsthafter Kandidat für die Startelf”, sagte Rangnick. “Wir müssen Xaver Schlager ersetzen. Eine Möglichkeit ist sicher auch, dass ‘Grillo’ auf der Position spielt.” Die Alternative wäre, Konrad Laimer zurückzuziehen und auf den Flügeln auf Patrick Wimmer oder Romano Schmid zu vertrauen.

Gesetzt sind die Außenverteidiger Stefan Posch und Phillipp Mwene, Nicolas Seiwald, Laimer, Christoph Baumgartner und der in den Testspielen noch geschonte Marcel Sabitzer im Mittelfeld sowie Stürmer Michael Gregoritsch. Im Tor scheint Patrick Pentz gegenüber Heinz Lindner in der Pole Position. Festlegen wollte sich Rangnick in der T-Frage aber noch nicht: “Ich habe es noch nicht entschieden, in Berlin ist noch genug Zeit.”

Die ÖFB-Kicker müssen am Mittwochnachmittag (13.00 Uhr) im EM-Quartier einrücken. Rangnick empfahl ihnen für die drei freien Tage bis dahin, Dinge zu tun, die ihrer Seele und ihrer Psyche guttun. “Lasst das weg, was euch nervt, was euch stresst.” Er selbst wolle sich ebenfalls daran halten. “Wir müssen mit vollem Akku an den Start gehen am 12. Juni.” Die Heim-EM sei für ihn als Deutschen natürlich etwas Besonderes. Die Vorfreude überwiege ganz klar die Anspannung. “Ich bin zum ersten Mal Teamchef, wir freuen uns alle mega darauf.”

Murat Yakin glaubt daran, dass die Österreicher in der schwierigen Gruppe D weiterkommen. Der Schweizer Teamchef zeigte sich von der Spielweise des ÖFB-Teams beeindruckt. “Sie haben ein unglaublich temporeiches Spiel mit Intensität auf höchstem Niveau.” Man sehe Rangnicks Handschrift, wenn die Dynamik auf den Platz gebracht werde. Yakin: “Es war für uns auch gut, so einen Gegner einmal live zu erleben und nicht nur vor dem Fernseher.”