Von: dpa
Als einziges Grand-Slam-Turnier sind die French Open bei den Männern noch nicht von der nachrückenden Tennis-Generation eingenommen worden. Während Carlos Alcaraz 2022 bei den US Open und 2023 in Wimbledon triumphiert und heuer Jannik Sinner bei den Australian Open zugeschlagen hat, gingen in Roland Garros von den vergangenen acht Einzel-Titeln fünf an Rafael Nadal und drei an Titelverteidiger Novak Djokovic. Die Zeichen stehen aber nun auch hier eher auf Ablöse.
14 Mal hat Nadal dieses Major gewonnen, von seinen Glanzzeiten ist der verletzungsgeplagte Spanier aber mittlerweile ein gutes Stück weit entfernt. Auch wenn er sich noch nicht ganz festgelegt hat, wird es wie bei seinem ehemaligen Sand-Kronprinzen Dominic Thiem wohl sein Tour-Abschiedsjahr. Von acht in diesem Jahr bestrittenen Matches gewann er fünf, drei Niederlagen hatte er in 115 Partien auch in seiner gesamten French-Open-Karriere bezogen. Nadal hatte überlegt, auf seiner größten Bühne überhaupt anzutreten, freilich lässt er sich das nicht nehmen.
Schon am Montag erfreute der bis 3. Juni noch 37-Jährige Veranstalter und Fans mit seinem Eintreffen auf der Anlage, am Dienstag ging es bei guter Zuschauerbeteiligung beklatscht zu seiner ersten Trainingssession. Jeder Schritt des Publikumslieblings wird verfolgt und via Social Media öffentlichkeitswirksam aufbereitet. Nadal erfüllt fast jeden Autogrammwunsch. Doch nur, um sich den wohlverdienten Abschiedsapplaus abzuholen, ist er nicht angereist. Er werde “für die Dinge kämpfen, für die ich die letzten 15 Jahre gekämpft habe, auch wenn es jetzt unmöglich erscheint”.
Ein 15. Triumph Nadals bei den French Open wäre eine große Überraschung, nachdem er seit Mitte Jänner infolge einer Oberschenkelverletzung bloß drei Turniere bestritten hat und bei seinem ziemlich sicher jeweils letzten Antreten in Barcelona, Madrid und Rom nie über das Achtelfinale gekommen ist. Die Konkurrenz hat aber weiter Respekt vor dem ehemaligen Weltranglistenersten. “Wenn Rafa einen Sandplatz betritt”, sagte der Russe Daniil Medwedew, “haben alle seine Rivalen Angst.” Und für Djokovic ist Nadal noch immer “mein größter Konkurrent überhaupt.”
Während Nadal seit längerer Zeit von seinen Körper Signale für ein baldiges Karriereende erhalten hat, denkt Djokovic noch lange nicht daran. Doch allein seine heurigen Ergebnisse lassen eine erfolgreiche Titelverteidigung schwierig erscheinen. Der “Djoker” ist 2024 noch ohne Titelgewinn, Jubiläumstitel 100 kann es für den 98-fachen Turniersieger in gut zwei Wochen daher auf keinen Fall werden. Neben Halbfinal-Niederlagen bei den Australian Open und in Monte Carlo setzte es irritierende Drittrundenschlappen gegen Luca Nardi (ITA/Indian Wells) und Alejandro Tabilo (CHI/Rom).
Die Vorkommnisse vor diesem jüngsten Out und die möglichen Auswirkungen davon ließen Djokovic ratlos zurück. Zwei Tage vor der Niederlage in Rom war ihm beim Autogrammschreiben eine aus einem Fan-Rucksack gefallene Flasche auf den Kopf gefallen. “Es war, als wäre ein komplett anderer Spieler an meiner Stelle gewesen. Kein Rhythmus, kein Tempo, kein Gleichgewicht bei einem Schlag”, gab sich der seit Mittwoch 37-Jährige beunruhigt. Bei einer Untersuchung gab es jedoch Entwarnung. “Der Kopf ist in Ordnung, alles gut. Ich fühle mich gut”, sagte Djokovic diese Woche in Genf.
Das Turnier in der Schweiz hat der Weltranglistenerste in seinen Turnierplan eingeschoben, um sein Konto von heuer nur 17 bestrittenen Matches etwas aufzustocken. Zuletzt habe er viel in seine körperliche Verfassung investiert, und das mit seinem neuen Fitnesscoach Gebhard Gritsch. Der Tiroler war schon von 2009 bis 2017 und von 2018 bis 2019 für die Fitness von Djokovic verantwortlich, nun wurde er wieder engagiert. Djokovic: “Wir haben an der Ausdauer gearbeitet und die Physis gestärkt, die ich auf dem fordernden Sandbelag für Fünfsatz-Matches brauche.”
Matchpraxis sei das, was er nun benötige. “Das ist das, was ich brauche, um zu versuchen, zur Form zu kommen, die ich für Roland Garros brauche. Es gibt kein besseres Training für mich als Matches.” In der ersten Genf-Runde setzte sich Djokovic am Mittwoch gegen den Deutschen Yannick Hanfmann mit 6:3,6:3 schon einmal durch. Seine Weltranglistenführung droht Djokovic nach Paris übrigens an den Südtiroler Jannik Sinner zu verlieren, selbst wenn er seinen 25. Major-Titel holen und damit alle seine Vorjahrespunkte von Paris verteidigen sollte.