"Schön, wenn man ein bisschen Dialekt reden kann"

Gewisses Heimatgefühl für Jannik Sinner in Wien

Freitag, 27. Oktober 2023 | 05:05 Uhr

Von: apa

Es hat aus österreichischer Sicht schon einen gewissen Charme, wenn die aktuelle Nummer 4 der Tennis-Männer in Wien zur Pressekonferenz erscheint. Denn nicht auf Englisch, sondern in breitem Südtiroler Dialekt geführte Gespräche mit Jannik Sinner erinnern fast an Ereignisse aus dem Wintersport. Der 22-Jährige hat sich in diesem Jahr mit Titeln in Montpellier, Toronto und zuletzt Peking in die Top Five gespielt. Bei den Erste Bank Open spielt er Freitagabend um das Halbfinale.

Für sein Anfang des Jahres gestecktes Ziel, erstmals bei den ATP Finals der besten acht Spieler der Saison in Turin dabeizusein, hat Wien keinen Einfluss mehr. Denn Sinner hat diesen Meilenstein schon erreicht. “Das ganze Jahr war ein gutes. Ich habe das Ziel ein paar Turniere vor dem Ende der Saison erreicht. Hoffentlich kann ich die Saison noch gut abschließen.”

Und ein bisschen hat sich das Stadthallenturnier für ihn zu einem zweiten Heimturnier gemausert. “Es sind mehrere Schen, die man in Südtirol und auch in Österreich macht. Skifahren, wir haben auch deutsches und österreichisches Fernsehen. Generell wie wir reden und die Österreicher – wir verstehen uns mit unserem Dialekt auch gut.”

Der in Sexten im Hochpustertal aufgewachsene Sinner lebt mittlerweile aber in Monte Carlo. “Ich bin mittlerweile sehr wenig daheim. Es ist auch schön, wenn man ein bisschen Dialekt reden kann. Deswegen ist es super, hier das Turnier zu spielen.” Nicht vergessen hat Sinner auch dem Turnierdirektor Herwig Straka, dass ihm dieser vor einigen Jahren eine Wildcard gegeben hat.

Immer noch ist es so, dass so mancher Österreicher erbost reagiert, wird Sinner als Italiener und nicht als Südtiroler bezeichnet. “Das kann ich schon verstehen, aber ich will nicht ins Detail reingehen”, sorgte der Youngster für Gelächter.

Er selbst sieht die Thematik gelassen. “Ich bin mit 13, 14 von daheim weg nach Italien und wenn man dann mit italienischen Leuten beisammen ist, fühlt man sich richtig italienisch”, so Sinner. Auch sein Team bestehe zu 90 Prozent aus Italienern. Durch seinen Wohnsitz in Monaco ist er nur noch selten in seiner alten Heimat. “Ich fühle mich schon zu 100 Prozent als Italiener, aber ich bin halt in Südtirol aufgewachsen, das wird sich auch nie ändern.”

Sein erster Masters-1000-Titel in Kanada sowie sein Auftritt in Peking mit Siegen der Reihe nach über Carlos Alcaraz im Semifinale und Daniil Medwedew im Finale haben Sinner viel Auftrieb gegeben. “Toronto war sicherlich wichtig für mich, auch wenn der Titel in Peking vielleicht noch wichtiger war wegen der Spieler, die ich dort geschlagen habe”, resümiert Sinner.

Zum Angriff auf die Top 3 bläst Sinner (noch) nicht. “Das sind viele Punkte”, spricht er den Rückstand von über 2.300 Zählern auf den drittplatzierten Medwedew an. Wien, Paris-Bercy, dann Turin und das Davis-Cup-Finalturnier stehen noch auf dem Programm.

Großes Ziel für 2024? “Die Grand Slams besser spielen.” Achtelfinali in Australien und New York und gar nur eine zweite Runde bei den French Open waren ihm dieses Jahr zu wenig. Bei welchem Major er sich den ersten Titel am ehesten zutraut? “Ich kann überall relativ gut spielen. Bei Grand Slams geht es ‘best of five’, da muss man mental und physisch bereit sein.” Die Grundlage dafür will er in der wichtigen off-season legen.

Top 4 erreichten in Wien das Viertelfinale

Die Top 4 der Gesetztenliste, die am Nationalfeiertag bei den Erste Bank Open im Einsatz waren, sind mehr oder weniger gefordert ins Viertelfinale eingezogen. Titelverteidiger Daniil Medwedew (RUS-1) kämpfte sich in einem hochklassigen Match gegen den Grigor Dimitrow mit 3:6,6:2,6:4 weiter, knapp vor dem Aus stand Stefanos Tsitsipas (GRE-4) beim 6:3,4:6,7:5 gegen den Tschechen Tomas Machac. Jannik Sinner (ITA-2) und Andrej Rublew (RUS-3) kamen hingegen in zwei Sets weiter.

Letzterer qualifizierte sich mit dem 7:5,6:3 über den Italiener Matteo Arnaldi nicht nur für den Viertelfinalhit gegen Alexander Zverev (GER-5). Der 26-jährige Russe steht damit im Feld der ATP Finals in Turin (12. bis 19.11.).

Besonders sehenswert war das Duell zwischen Medwedew und Dimitrow. “Das war ein sehr toughes Match. Im ersten Satz habe ich mich auf dem Platz nicht wohl gefühlt, habe auch etwas Energie vermisst”, gestand Medwedew. Er habe sich vor dem zweiten Satz gesagt, dass er sein Level steigern muss und das sei ihm dann auch gelungen. “Es waren einige verrückte Punkte und Schläge dabei und ich bin wirklich stolz auf mich.” Medwedew trifft nun im Viertelfinale auf seinen Landsmann Karen Chatschanow.

Davor hatte sich der Taufpate von Medwedews Tochter, Andrej Rublew, als fünfter Spieler nach Novak Djokovic, Carlos Alcaraz, Daniil Medwedew und Jannik Sinner für das “Masters” qualifiziert.

“Das sind tolle Neuigkeiten. Ich habe erst nach dem Match erfahren, dass ich jetzt fix qualifiziert bin. Ich freue mich darauf, dass ich wieder Teil eines der besten Events der Welt bin”, freute sich Rublew. Für den Russen ist es das vierte Ticket für das ATP-Saisonfinale in Folge. Im Vorjahr hatte er es erstmals ins Halbfinale geschafft. Der Wien-Sieger von 2020 hat in diesem Jahr die Events in Monte Carlo, sein erster Titel auf Masters-1000-Level, und Baastad gewonnen.

Zunächst gilt für Rublew der Fokus aber noch ganz auf Wien, und sein nächster Gegner ist niemand Geringerer als Olympiasieger Zverev. Das Duell gegen den Olympiasieger ist am Freitag nicht vor 17.30/live ServusTV) zu sehen. Zverev führt gegen Rublew zwar mit 5:2, die zwei bisher einzigen Siege des Russen kamen allerdings dieses Jahr zustande. “So wie er aufschlägt, weiß man nie was passiert. Er spielt jetzt immer besser.” Der Schlüssel für dieses Spiel ist für Rublew klar: “Der Return.”

Später schaffte es Tsitsipas nur mit sehr viel Mühe, endlich erstmals ins Viertelfinale in der Stadthalle einzuziehen. 1:4 lag der Grieche, der in Runde eins Dominic Thiem ausgeschaltet hatte, im dritten Satz gegen den Qualifikanten Machac schon zurück.

Der als Nummer vier gesetzte Favorit fing sich aber doch noch und setzte sich nach fast zwei Stunden vor ausverkaufter Halle noch 7:5 durch. Nun trifft er auf den kroatischen Wildcard-Spieler Borna Gojo. Dieser hatte zuvor für das Aus des ersten Gesetzten gesorgt, indem er Tommy Paul (USA-6) mit 6:3,6:4 bezwang.

Jannik Sinner ließ sich anschließend im Match gegen seinen Landsmann, Lucky Loser Lorenzo Sonego, nicht stoppen. Der Südtiroler siegte nach 93 Minuten sicher mit 6:2,6:4. Er gewann damit auch das vierte Duell mit Sonego. Er schraubt seine tolle Bilanz seit Juli auf 21:4-Siege, darunter die Titel in Toronto und Peking. Er trifft nun auf Frances Tiafoe (USA-7) oder Gael Monfils (FRA) – die letzte offene Achtelfinalpartie des Turniers.

Bezirk: Pustertal