Von: luk
Bozen – Der Vinschger Berglandwirtschaftstag an der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg in Burgeis hat Tradition. In guter Zusammenarbeit mit der Schule, dem SBB-Bezirk Vinschgau und dem Beratungsring Berglandwirtschaft (BRING) wird jedes Jahr ein Thema aufbereitet, welches die Bäuerinnen und Bauern, insbesondere aber auch die bäuerliche Jugend, in ihrer täglichen Arbeit unterstützt.
Die insgesamt sechste Auflage dieser Tagung stand heute ganz im Zeichen der Themen Tierwohl und Berglandwirtschaft.
Was ist Tierwohl? – dieser Frage widmete sich Prof. Matthias Gauly von der Freien Universität Bozen in seinem Hauptvortrag. Er wies in seinen Ausführungen darauf hin, dass der Begriff Tierwohl nicht nur in Politik und Medien zunehmend an Relevanz gewinnt, auch bei Verbrauchern wachse der Wunsch nach einem Produkt, das tiergerecht erzeugt ist und guten Gewissens verzehrt werden kann. Dies hat sich der Handel zu eigen gemacht! Dem Tier soll es gut gehen! Der Landwirt ist also gefragt, der das Wohl seiner Tiere am besten einschätzen kann. Es liegt in seinem eigenen Interesse, ein hohes Niveau der Tiergerechtheit anzustreben und dadurch aktiv an einer gesellschaftlich akzeptierten, zukunftsfähigen Milchviehhaltung mitzuarbeiten und gleichzeitig die eigene Betriebswirtschaftlichkeit zu verbessern.
Tierwohlprojekt in Südtirol
In anderen Ländern werden Tierwohlmessungen bereits umgesetzt. Mit dem Projekt Tierwohl Südtirol werden in Zukunft auch in Südtirol flächendeckend tierbezogene Indikatoren erfasst. Überzeugt ist Prof. Gauly davon, dass es im Berggebiet die Anbindehaltung braucht, diese Systeme aber verbessert und mit Weidehaltung kombiniert werden müssen. Bei Neubauten hingegen muss auf den Laufstall gesetzt werden.
Die Kuh im Mittelpunkt
„Die Kuh im Milchviehbetrieb, egal ob intensiv oder extensiv, ist eine Spitzensportlerin, welche tagtäglich Hochleistung erbringt“, erklärte Irene Holzmann vom Beratungsring Berglandwirtschaft (BRING). Ihre Gesundheit ist das Geld für den Landwirt und somit müssen die Rahmenbedingungen der Tierhaltung passen. Die Kuh sendet jeden Tag Signale, welche Auskunft über ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit geben. Solche Signale betreffen vor allem Körperhaltung, Verhaltensweisen und andere äußere Merkmale. Es ist wichtig, dass der Tierhalter diese Signale zu erkennt und richtig deutet, um Betriebsabläufe zu optimieren und so Wohlbefinden und Leistung der Kuh durch geringeren Stress und erhöhte Gesundheit zu fördern.
Für Gesundheit und Wohlbefinden der Kuh ist es wichtig, dass im Stall die sechs Freiheiten der Weide angeboten werden: Symbol für die sechs Freiheiten der Weide ist der Kuhsignale-Diamant, welcher die grundlegenden Bedürfnisse der Kuh beschreibt. Jede Ecke des Diamanten stellt eine Freiheit dar, welche die Tiere auf der Weide haben und brauchen. Dazu gehören Licht, Luft, Wasser, Raum, Ruhe und Futter.
Tierwohl in der Praxis
Am Oberhuberhof der Familie Johann Zingerle in Vintl stehen Tierwohl und Tiergesundheit im Mittelpunkt. Bevor der Neubau im Jahre 2016 startete, besichtigte die Betriebsleiterfamilie andere Betriebe in Südtirol und in den angrenzenden Regionen. Gemeinsam mit der Fachberatung wurde dann ein Bauprojekt entwickelt, dass den Tieren am Betrieb weitestgehend optimale Bedingungen bietet.
Licht und Luft als zentrale Elemente
Der Hof liegt schattseitig. Über die Wintermonate gibt es drei Monate keine Sonne. Im Winter ist es kalt, im Sommer sehr warm. Mit zu öffnenden und schließbaren Seitenwänden sowie mit Lüftungselementen kann der Betrieb für Sommer und Winter geeignete Bedingungen für die Tiere schaffen.
Die Tiere fühlen sich wohl und danken es mit guter Milchleistung und guter Tiergesundheit. Am Betrieb der Familie Zingerle haben sich die getätigten Investitionen in das Tierwohl jedenfalls rentiert.
Putenschinken – eine Alternative?
Sophia Kienzl vom Walchhof in der Gemeinde Schnals referierte im Rahmen der Tagung über ihre Maturaarbeit an der Fachschule Fürstenburg. Sie suchte nach einer wirtschaftlich nachhaltigen Erwerbschance für den elterlichen Betrieb. Ergebnis der Arbeit ist, dass die Putenhaltung über ein großes Potenzial für landwirtschaftliche, kleinstrukturierte Familienunternehmen in Südtirol verfügt. Geflügelfleisch wird tendenziell weltweit in allen Ländern konsumiert und die Nachfrage ist relativ stabil. Auch in Südtirol ist dieser Trend zu erkennen doch die Nachfrage nach regionalen Putenfleisch ist verhältnismäßig höher als das derzeitige Angebot am Markt, wodurch sich eine hohes Nischenpotenzial ergibt.
Den Abschluss der Tagung bildete traditionsgemäß ein Input von Dr. Markus Moriggl, Direktor der Raiffeisenkasse Obervinschgau. Er referierte über wirtschaftliche Perspektiven für die Berglandwirtschaft und kam dabei auf verschiedene Möglichkeiten der betrieblichen Ausrichtung zu sprechen. Diese reichen von der Tierhaltung mit Milch- und Fleischproduktion bis hin zur möglichen Stromproduktion. Dazwischen liegen aber auch mögliche Tätigkeiten im Bereich des Ackerbaus, des Tourismus und des Handels, also der Direktvermarktung.
Eine Entscheidung über die zukünftige Ausrichtung ist stark von der Ressourcenintensität in Hinblick auf Kapitalbedarf, Personalbedarf und Bodenbedarf abhängig. Die größten Risiken hingegen stellen die Kapitalintensität und der Generationswechsel auf den landwirtschaftlichen Betrieben dar.