Von: APA/dpa
Kurz vor der umstrittenen Doppelvergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2030 und 2034 machte Cristiano Ronaldo noch einmal das, wofür er Geld bekommt. Der Portugiese, der seit 2023 für Al-Nassr spielt, pries in den sozialen Medien Inspiration und Strahlkraft der Bewerbung Saudi-Arabiens für 2034. Dabei ist das gar nicht mehr nötig. Das Königreich wird entgegen der massiven Kritik und Warnungen von Menschenrechtsorganisationen am Mittwoch (ab 15.00 Uhr) den Zuschlag erhalten.
Möglich ist das auch durch einen sportpolitischen Winkelzug von FIFA-Präsident Gianni Infantino: Mit der gleichzeitigen, ebenso sicheren Vergabe der WM 2030 an Spanien, Portugal und Marokko mit Eröffnungsspielen in Argentinien, Paraguay und Uruguay werden gleich drei weitere Kontinente mit dem Weltereignis beglückt – und damit für 2034 aus dem Rennen genommen. Fragen und Antworten zum online abgehaltenen FIFA-Kongress, bei dem am Mittwoch die Weichen gestellt werden:
Wie läuft die WM-Vergabe genau ab?
Die bis zu 211 Mitgliedsverbände der FIFA schalten sich aus aller Welt über eine Online-Plattform zusammen. Der jeweilige Hauptdelegierte, aus Österreich ÖFB-Interimspräsident Wolfgang Bartosch, soll über eine Software seine Stimme abgeben. Da für beide Weltmeisterschaften aber nur eine Bewerbung ins Rennen geht und en bloc abgestimmt wird, also nicht einzeln für jedes Turnier, scheint auch möglich, dass stattdessen vor den Bildschirmen laut applaudiert wird, um die ohnehin sichere Zustimmung zu signalisieren. Der norwegische Fußball-Verband (NFF) hat angekündigt, bei der Vergabe eine Protestnote zu hinterlegen. Sollten die Endrunden per Akklamation vergeben werden, werde der NFF nicht zustimmen. Die Kritik der Norweger richtet sich gegen das Verfahren an sich. Nach dem Skandal um die Doppelvergabe an Russland 2018 und Katar 2022 hatte die FIFA dieses Vorgehen im Zuge größerer Reformen 2016 eigentlich ausgeschlossen.
Wieso gibt es jeweils nur eine Bewerbung?
Infantino ist mit der vom FIFA-Council abgesegneten Doppelvergabe im Vorjahr ein Coup gelungen. Klarer Treiber waren die Bemühungen Saudi-Arabiens, nach Nachbar Katar 2022 ebenso so schnell wie möglich von einer Fußball-WM profitieren zu wollen. Das Rotationsprinzip in den FIFA-Regularien besagt, dass nach einer WM derselbe Kontinentalverband bei den nächsten zwei Turnieren nicht zum Zug kommen kann. 2026 wird in den USA, Kanada und Mexiko gespielt. Mit der Mega-WM 2030 nahm Infantino Europa, Afrika und Südamerika aus dem Rennen. Für 2034 blieben Asien und Ozeanien, der einzige ernsthafte Konkurrent Australien verzichtete am Stichtag Ende Oktober des Vorjahres – nach enorm kurzer Vorlaufzeit – auf eine Bewerbung. Seither steht Saudi-Arabien als Ausrichter so gut wie fest.
Warum wird die Bewerbung Saudi-Arabiens kritisiert?
Ähnlich wie Katar wird dem Königreich “Sportswashing” vorgeworfen: Mit Hilfe des positiv besetzten Sports sollen Verstöße beispielsweise gegen Menschenrechte übertüncht und das eigene Image aufpoliert werden. Organisationen wie Amnesty, Human Rights Watch und ALQST warnen seit Monaten vor einer den Berichten zufolge katastrophalen Menschenrechtslage in Saudi-Arabien. Das Land sei “noch repressiver” als Katar, hieß es in einer Amnesty-Einschätzung. Saudi-Arabiens de facto Herrscher, Kronprinz Mohammed bin Salman, verweist auf Reformen. Die FIFA sieht in ihrem Evaluierungsbericht der Bewerbung nur ein “mittleres” Risiko in Menschenrechtsfragen. Die Bewerbung erhielt in Summe eine außerordentlich gute FIFA-Bewertung – obwohl elf der 15 Stadien in fünf Städten erst gebaut werden müssen.
Wie engagiert sich Saudi-Arabien im Sport?
Abgewickelt werden die Investitionen großteils über den staatlichen Public Investment Fund (PIF), mit einem geschätzten Gesamtvermögen von 925 Milliarden Dollar einer der größten Staatsfonds der Welt. Im Fußball wurden mit dem Geld Stars wie Ronaldo, Neymar, Karim Benzema oder Sadio Mane für Vereine in der sportlich maximal zweitklassigen Saudi Pro League geholt. Der PIF hält zudem rund 85 Prozent am englischen Premier-League-Club Newcastle United. Die Formel 1 fährt seit 2021 im Land, nach der eigenen, millionenschweren LIV Golf-Tour als Konkurrenz zu etablierten Serien drängt Saudi-Arabien auch in die Tennistouren ATP und WTA. Und in nicht allzu ferner Zukunft will man Olympische Spiele ausrichten.
Wie kam es zur WM 2030 in sechs Ländern auf drei Kontinenten?
Bereits vor mehr als zehn Jahren hatten die Verbände von Argentinien und Uruguay ihr Interesse bekundet, das Turnier 100 Jahre nach der ersten WM 1930 in Uruguay ausrichten zu wollen. Chile und Paraguay schlossen sich der Bewerbung an. Hauptkonkurrent war das Trio Portugal, Spanien und Marokko. Im Vorjahr entschied das FIFA-Council – mit den Bestrebungen Saudi-Arabiens für 2034 im Hinterkopf – kurzerhand, die beiden Bewerbungen zu vereinen. Das Eröffnungsspiel soll in Montevideo steigen, je eine Partie im Anschluss in Buenos Aires und Asuncion, ehe das Turnier nur noch diesseits des Atlantiks weitergeht. Alle sechs Gastgeber sind automatisch qualifiziert.
Wie ist das Abstimmungsverhalten des ÖFB?
Interimspräsident Bartosch ist vom Präsidium ermächtigt, bei der Blockvergabe nach eigenem Ermessen abzustimmen. Eine Entscheidung hat er laut eigenen Angaben noch nicht getroffen. “Ich möchte mir zuvor noch einen persönlichen Eindruck verschaffen, die Präsentationen und Diskussionen abwarten”, sagte der Steirer. Es zeichnet sich allerdings eine klare Mehrheit ab, sodass auch der ÖFB beiden Turnieren seine Zustimmung erteilen könnte. Bartosch wird dem Online-Meeting gemeinsam mit Generalsekretär Thomas Hollerer von der ÖFB-Zentrale im Wiener Ernst-Happel-Stadion aus beiwohnen.
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