Von: mk
Bozen – Anlässlich des Nationalen Tags der Dialekte und Minderheitensprachen am 17. Jänner 2025 präsentiert das Team rund um das Forschungsprojekt AlpiLinK neue Erkenntnisse zum Gebrauch und der Verbreitung von Dialekten und Minderheitensprachen in Norditalien. Die Studie mit 1.030 Dialekt-Sprechern aus über 500 Orten zeigt, wie sich der Gebrauch dieser Sprachen in verschiedenen sozialen Kontexten gestaltet.
Der AlpiLinK-Bericht, der erstmals eine umfassende Erhebung der Dialektverwendung in ganz Norditalien bietet, geht auch auf die sozialen und familiären Kontexte ein. Die AlpiLinK-Umfrage mit 1.030 Dialekt-Sprecherinnen und Sprechern aus über 500 Orten zeigt bemerkenswerte Unterschiede im Gebrauch der Dialekte in Norditalien. Besonders auffällig ist, dass im Freundeskreis der Tiroler Dialekt mit 91 Prozent weit verbreitet ist. Ladinisch wird im Freundeskreis von 70 Prozent der Befragten gesprochen, während Venetisch nur von 51 Prozent regelmäßig verwendet wird. Bei den lombardischen und piemontesischen Dialekten liegen die Anteile bei lediglich 29 bzw. 22 Prozent.
Im familiären Kontext zeigt sich ebenfalls eine klare Präferenz für den Dialektgebrauch. Der Tiroler Dialekt wird hier von 88 Prozent der Befragten genutzt, Ladinisch von 78 Prozent, und der friulanische Dialekt wird von 71 Prozent der Sprecherinnen und Sprecher häufig in der Familie gesprochen. Diese Zahlen verdeutlichen die unterschiedlichen sozialen und regionalen Verankerungen der Dialekte in Norditalien.
Prof.in Birgit Alber, Koordinatorin des Projektes AlpiLinK an der Freien Universität Bozen erinnert daran, dass „Dialekte und Kleinsprachen ein wichtiges Kulturgut darstellen. Dialekte tragen zur Mehrsprachigkeit von Sprachgemeinschaften bei und somit zu den Vorteilen, die Mehrsprachigkeit mit sich bringt, von größerer kognitiver Flexibilität bis zur Verzögerung des Auftretens von degenerativen Krankheiten wie Alzheimer.“
Die kognitiven Vorteile von Zweisprachigkeit betont auch Stefan Rabanus, Koordinator des AlpiLinK-Projekts und Professor für deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Verona: „Das Beherrschen eines Dialekts oder einer Minderheitensprache, zusätzlich zur Landessprache, stellt eine Form der Zweisprachigkeit dar, die dieselben kognitiven Vorteile mit sich bringt wie das Beherrschen einer Fremdsprache. Jüngste Studien mit Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen, dass Menschen, die von klein auf zwei Sprachen sprechen, eine höhere geistige Flexibilität entwickeln und bessere Voraussetzungen haben, um eine neue Sprache zu erlernen.“
AlpiLinK ist eine von der Universität Verona koordinierte Initiative, an der auch die Universitäten Bozen, Trient, Turin und Aostatal beteiligt sind. Das Projekt wird vom Ministerium für Universität und Forschung als Forschungsprojekt von nationalem Interesse unterstützt. Zwischen Juli 2023 und Juli 2024 haben 1.030 Sprecher:innen von Minderheitensprachen ihre Audiobeiträge eingesandt, um die größte digitale Audio-Landkarte der Dialekte und Minderheitensprachen Norditaliens zu erstellen. In einem kurzen Fragebogen wurden die Sprachkompetenzen und die Häufigkeit der Verwendung von Dialekten erhoben. Der AlpiLinK-Bericht bietet erstmals die Möglichkeit, Daten zum Gebrauch von Dialekten und Minderheitensprachen in ganz Norditalien zu vergleichen. Diese Datensammlung und die dazugehörige Sprach-Landkarte und die Ergebnisse der Studie sind über die Webseite www.alpilink.it abrufbar.
Bemerkenswert sind auch die Unterschiede im Durchschnittsalter der Befragten: Die 13 Walserinnen und Walser, die an der Audio-Umfrage mitwirkten, sind im Durchschnitt 74 Jahre alt, während die Venezianerinnen und Venezianer mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren die jüngste Gruppe darstellen. Diese Ergebnisse verdeutlichen umso mehr den dringenden Bedarf, das kulturelle Erbe der Dialekte zu erhalten und zu fördern.
Alle, die eine historische Sprachvariante oder einen norditalienischen Dialekt sprechen, sind eingeladen, zur Forschung beizutragen. Auf der Website von AlpiLinK können Interessierte an einer Audio-Umfrage teilnehmen, in der sie in ihrem Dialekt eine Szene beschreiben oder vorgegebene Sätze und Wörter übersetzen.
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