Von: mk
Neumarkt – Der regenreiche Mai und die folgende Hitzeperiode haben der Artenvielfalt ein schönes Geschenk gemacht: Am Pfingstwochenende wurde auf Castelfeder nach fast 100 Jahren wieder der Kleinling gefunden. Das Pflänzchen gehört zur Familie der Myrsinengewächse.
Thomas Wilhalm strahlt: „Elias Spögler, dem jüngsten Mitglied des Arbeitskreises Flora von Südtirol, ist mit der Entdeckung des Kleinlings am Pfingstwochenende auf Castelfeder ein Sensationsfund gelungen!“ Der Biologe am Naturmuseum Südtirol in Bozen erklärt, dass es sich dabei um eine einjährige und nur ein bis zwei cm große Pflanze handelt, die wie die Zyklame und der Siebenstern zur Familie der Myrsinengewächse gehört. Sie war bis ins 19. Jahrhundert in der Bozner Umgebung und im Eisack- und Pustertal weit verbreitet, die letzten Nachweise stammen aus den 1930er Jahren.
Der Kleinling (Centunculus minimus) benötigt offene, zeitweise nasse und lehmige Standorte tiefer Lagen, typischerweise in Weiden. Gerade solche Standorte sind in den letzten hundert Jahren durch die Umwidmung in Wiesen und Obst- und Weinkulturen verloren gegangen – und damit auch die Lebensbedingungen für den Kleinling. Nun dürften die spezielle Wettersituation der letzten Wochen – der regenreiche Mai und die folgende Hitzeperiode – sowie der Standort Castelfeder mit seinen Felsmulden zu einer optimalen Lebensbedingung für den Kleinling geführt haben: Jahrzehnte lang im Boden ruhende Samen begannen plötzlich zu keimen.
Mitglieder des Arbeitskreises Flora von Südtirol entdeckten daraufhin im selben Lebensraum auch weitere sehr seltene Arten, darunter den Sardischen Hahnenfuß (Ranunculus sardous), der ebenfalls vor einem Jahrhundert das letzte Mal in Südtirol gesichtet wurde.
Der Porphyrhügel von Castelfeder wurde bereits 1977 als Biotop ausgewiesen. Er beherbergt eine für Südtirol einzigartige Vegetation. Der Großteil des Gebiets ist von Trockenweiden bestanden, die von einzeln stehenden Eichen beschattet werden. In vielen Mulden gibt es kleine Feuchtgebiete und Tümpel. Durch die wärmebegünstigte Lage im Süden des Landes finden sich im Gebiet zahlreiche mediterrane Flora- und Faunenelemente. Entstanden ist diese Vegetation durch die menschliche Nutzung, primär durch eine über Jahrtausende praktizierte Beweidung. Eine extensive, an die Bedürfnisse der Natur angepasste Beweidung ist auch in Zukunft wesentlich für den Erhalt der Biodiversität auf Castelfeder.
Der Arbeitskreis Flora von Südtirol ist am Naturmuseum angesiedelt. Gegründet und betreut von Thomas Wilhalm, feiert er im Herbst sein zwanzigjähriges Bestehen.