Inszeniert von der slowakischen Regisseurin Sláva Daubnerová

Beklemmender “Biedermann und die Brandstifter” in St. Pölten

Samstag, 25. Januar 2025 | 10:50 Uhr

Von: apa

Mit beklemmenderem Timing könnten aktuelle Bezüge derzeit kaum über die Bühne kommen: Am Freitagabend ist im Landestheater Niederösterreich in St. Pölten “Biedermann und die Brandstifter” von Max Frisch in der durchaus stringenten Inszenierung der slowakischen Regisseurin Sláva Daubnerová zur Premiere gelangt.

Es ist das Stück der Stunde, naturgemäß, angesichts der weltweit ersichtlichen Wiederkehr totalitärer und autoritärer Politik. Die Story vom Ehepaar, das wider besseres Wissen Brandstifter in seinem Haus beherbergt, ist trotz des Untertitels “Lehrstück ohne Lehre” eine unmissverständliche Parabel. Daubnerová verknappt die Handlung auf 90 Minuten, lässt zum Beispiel Chor-Passagen oder die Witwe Knechtling weg und konzentriert sich in burlesker Bildhaftigkeit auf Wesentliches.

Zu Beginn kauern Gottlieb Biedermann (Dietmar König verleiht dem kahlköpfigen Haarwasser-Fabrikanten pantomimisch virtuose Facetten) und seine Frau Babette (Bettina Kerl, ausgestattet mit einer immensen Perücke) am Boden. “Wir sind Opfer”, beteuern sie in diesem Prolog, der anstelle des Nachspiels schon eine Art Quintessenz vorausnimmt. Denn dass sie sehenden Auges in ihr Unglück gelaufen sind, wollen sie auch nach der erfolgten Katastrophe nicht wahrhaben.

Die von Alex Gahr gestaltete Bühne ist leicht abgeschrägt, rote Neonschranken heben und senken sich zwischendurch. Auf einer Videowand sind die Vorgänge am mit allerlei kleinbürgerlichem Souvenir-Trödel ausstaffierten Dachboden zu sehen, wo sich die Brandstifter einquartiert haben, sowie auch Ausblicke auf die erstaunlich trostlose 08/15-Siedlungsgegend, in der sich das Haus der Biedermanns befindet.

Nikolay Sidorenko gibt den gerissenen Ringer Schmitz, die Partie des Eisenring besetzt Daubnerová mit einer Frau: Caroline Baas bringt als vulgäre Ganovin auch ein wenig erotisches Knistern bei Biedermann zuwege. Aus einem vergitterten Verschlag taucht immer wieder das Dienstmädchen Anna (Laura Laufenberg) mit aufgesetzt künstlichem Lächeln auf, auch sie mit unsäglicher Perücke köstlich dekoriert.

Die Kostüme (Cedric Mpaka) der Mitwirkenden gleichen sich im Verlauf des Stücks dem Leopardenfell-Design der Brandstifter an: Unübersehbar somit die beinahe lustvolle Identifikation mit den Feuerteufeln. Die Feuerwehrmänner hingegen wirken wie tapsige Astronauten in ihren silbernen Schutzanzügen: Von ihnen ist Hilfe nicht zu erhoffen.

Im Finale kommt es noch zu einer “Jedermann”-Persiflage durch Schmitz, der sich schließlich als Geist des von Biedermann in den Selbstmord getriebenen Knechtling outet. Das bringt noch eine interessante psychologische Pointe ein: Treibt Biedermann womöglich das eigene verdrängte schlechte Gewissen in masochistische Abhängigkeit von Brandstiftern?

(Von Ewald Baringer/APA)

(S E R V I C E – St. Pölten, Landestheater NÖ: Max Frisch, Biedermann und die Brandstifter. Regie: Slava Daubnerová. Mit Dietmar König, Bettina Kerl, Laura Laufenberg, Nikolay Sidorenko, Caroline Baas, Pierre Balasz. Weitere Vorstellungen bis 21. März. Am Samstag, 1. Februar moderiert Eva Konzett nach der 16-Uhr-Vorstellung ein Podiumsgespräch über Populismus und Demokratie unter dem Titel “Der Riss in der Brandmauer” mit Regisseurin Sláva Daubnerová und Politikwissenschafterin Birgit Sauer. Information und Tickets: www.landestheater.net, Tel. 02742/908080-600)

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