Von: bba
Bozen/Brixen – Vor hundert Jahren, in den Tagen rund um Allerheiligen und Allerseelen des Jahres 1918, ging der Erste Weltkrieg zu Ende. Bischof Ivo Muser nimmt dies zum Anlass, um in seinem Hirtenbrief „Selig, die Frieden stiften“ darauf hinzuweisen, dass „der Friede nie selbstverständlich ist, dass er Tag für Tag gewollt und aufgebaut werden muss“.
Im Gedenken an den Ersten Weltkrieg benennt Bischof Muser die Ursachen, die zu dieser „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ geführt haben: „Ein Nationalismus, der zum Religionsersatz geworden war; Hass, Verachtung und Arroganz gegenüber anderen Völkern; die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod, aber auch die Gier nach Reichtum und neuem Lebensraum. Damals wie heute wird der Friede durch massive Gerechtigkeitsdefizite und Verstöße gegen die Menschenrechte bedroht. Besonders gefährlich sind auch Glorifizierung und Rechtfertigung von Gewalt. Es muss ein klares und hörbares Nein durch unsere Gesellschaft gehen, wenn Menschengruppen generell verdächtigt werden oder wenn dazu aufgerufen wird, unser Land von bestimmten Menschengruppen zu reinigen.“
Weitreichende Folgen für unser Land
Der Erste Weltkrieg brachte weitreichende Folgen für unser Land: Südtirol kam zu Italien; Tirol wurde auseinandergerissen und auf zwei Staaten aufgeteilt; mitten durch die alte Diözese Brixen führte nun eine Staatsgrenze. „Durch die faschistische Ideologie kam es zu schmerzlichen Verboten im Bereich der Sprache, der Schule, der Kultur, des Vereinswesens. Eine gewollte und erzwungene Entfremdung im jahrhundertealten Kulturraum Tirol begann. Für viele Menschen waren die folgenden Jahrzehnte leidvoll geprägt durch die beiden Diktaturen des Faschismus und des Nationalsozialismus, durch die unselige Optionszeit und den Zweiten Weltkrieg“, schreibt Bischof Muser.
Es gibt keine Siege, die durch Kriege erreicht werden
In diesen Tagen der Erinnerung, des Bedenkens und Gedenkens, sollte niemand von einem Sieg reden und Siegesdenkmäler aller Art, die an Diktaturen und Kriege erinnern, sollten für immer ihre Anziehungskraft verlieren, schreibt Bischof Muser: „Es wäre ein konkretes und weitsichtiges Zeichen, wenn der Platz vor dem sogenannten Siegesdenkmal in Bozen zu einem Platz des Friedens, der Versöhnung, der Verständigung und des Willens zum Zusammenleben umbenannt würde! Es gibt keine Siege, die durch Krieg, durch Nationalismus, durch Abwertung anderer Völker, Sprachen und Kulturen erreicht werden. Am Ende eines Krieges gibt es immer nur Verlierer!“
Kennenlernen ist eine Brücke für den Frieden
Bischof Muser ruft dazu auf, das Gedenken an den Ersten Weltkrieg im Hinblick auf das Zusammenleben in der Gegenwart zu begreifen: „Wir brauchen heute konkrete, verbindende und versöhnende Zeichen, die uns helfen, die Geschichte gemeinsam zu verstehen, zu vergegenwärtigen, zu deuten und zu verzeihen.“ Dazu nennt der Bischof konkrete Beispiele: „Wir alle können schlichte Zeichen des Friedens setzen, indem wir uns bemühen, die ‚Anderen‘ kennenzulernen: den eigenen Nachbarn und die eigene Nachbarin; einen konkreten Menschen, der einer anderen Volksgruppe angehört; einen Flüchtling mit seiner Geschichte und seiner Hoffnung. Jedes echte Kennenlernen baut eine Brücke für den Frieden.“
„Selig, die Frieden stiften“
Bischof Muser unterstreicht in seinem Hirtenbrief schließlich auch, dass der Krieg nicht erst auf den Schlachtfeldern beginnt: „Kriege beginnen in den Gedanken, Gefühlen und Worten der Menschen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Denken, Reden und Tun – vor hundert Jahren und auch heute. Lassen wir uns – ganz persönlich und auch als Glaubensgemeinschaft – von den Seligpreisungen Jesu aus seiner Bergpredigt treffen, die am Allerheiligenfest in allen katholischen Kirchen der Welt verkündet werden: ‚Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden‘“.