Von: ao
Bozen – Der Klimawandel verändert die alpine Umwelt: mit dem Abschmelzen der Gletscher erhöht sich die Menge an Sedimenten, die von Gebirgsflüssen transportiert werden. Die Forschungsgruppe rund um Prof. Francesco Comiti nutzt die Isotopenanalyse, um die Entwicklung von Gebirgswasserläufen und die damit verbundenen Hochwassergefahren vorherzusagen.
Eines der zentralen Forschungsgebiete der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik beschäftigt sich mit der Dynamik von Flussgebieten und der Reduktion hydrogeologischer Risiken. Francesco Comiti, Professor für Naturgefahrenmanagement und Bergwasserläufe an der Fakultät, leitet die Forschungsgruppe zu dieser Thematik, die für Südtirol im Sinne der Vermeidung von Umweltkatastrophen ungemein wichtig ist. In Zusammenarbeit mit den Universitäten Trient und Innsbruck hat Comiti mit seinem Team das Forschungsprojekt GLORI initiiert, das für Glaciers-To-Rivers Sediment Transfer In Alpine Basins (Gletscher-Fluss-Sedimenttransfer in alpinen Becken) steht. Das von der Autonomen Provinz Bozen finanzierte und vor rund einem Jahr gestartete Projekt untersucht die Veränderungen in den Becken des Suldenbaches, einem den Gletschern des Ortlers entsprungenen Gebirgsbaches, und des Saldurbaches, der der Weißkugel entspringt.
Zusammenarbeit der Euregio-Universitäten
Ziel von GLORI ist es, die wahrscheinlichen Veränderungen der Wasserläufe im Zusammenhang mit dem Abschmelzen der Alpengletscher unter Implementierung physikalisch-mathematischer Modelle vorherzusagen. Die Forschungsgruppe aus Bozen misst die Menge und Art der von den beiden Wasserläufen transportierten Sedimente. Das Institute of Atmospheric and Cryospheric Sciences der Universität Innsbruck beobachtet hingegen die Veränderungen der Gletscher im Laufe der Zeit und ermittelt mithilfe des Georadars die aktuelle Gletscherdicke. Die Fakultät für Bauingenieurwesen der Universität Trient führt anschließend mit den Daten der Universitäten von Innsbruck und Bozen die physikalische und mathematische Modellierung durch, um den Zeitpunkt und die Art des Sedimenttransfers zu verstehen und zu untersuchen, wie sich dieses Material auf die Morphologie des Flussbettes auswirkt.
Isotopische Analyse des Wassers und der Geophone: Innovation der unibz
Die Forscher der unibz haben eine neue Methode entwickelt, um den Transfer von Sedimenten aus dem Becken in den Wasserlauf besser zu verstehen. Mithilfe von Geophonen, kleinen seismischen Sensoren und Isotopenwasseranalysen können sie die Intensität des Kieselsteintransports und die Herkunft der Sedimente bestimmen. „An der Mündung des Gletschers haben wir Geophone installiert, Mini-Seismometer, die die Schwingungen des Bodens aufgrund des Durchgangs oder Durchfließens von Kies und Kieselsteinen erfassen. Dadurch können wir den Feststofftransport kontinuierlich überwachen”, erklärt Comiti. „Darüber hinaus verwenden wir Isotopen-Tracer, die uns wichtige Informationen über die Herkunft des Wassers liefern, welches die Sedimente transportiert.“
Die praktischen Auswirkungen der Studie
2017 war ein besonders heißes Jahr. Infolge der steigenden Temperaturen haben die GLORI-Forscher ein starkes Abschmelzen der Gletscher und einen massiven Anstieg des Feststofftransports zu deren Mündungen beobachtet. Das Wachstum des Sedimenttransports kann zu wesentlichen Veränderungen in den stromabwärts gelegenen Flussabschnitten führen. „Diese morphologischen Veränderungen können Auswirkungen sowohl auf das Ökosystem der Flüsse als auch auf die Hochwassergefahr für die in der Nähe von Wasserläufen lebende Bevölkerung haben. In einigen Abschnitten des Flusses kann die von der Strömung mitgeführte größere Menge an Kies und Kieselsteinen zu einem Anstieg des Flussbettes führen und somit die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen in naher Zukunft erhöhen. In der Schweiz gibt es beispielsweise schon in einigen Flüssen Hinweise auf eine Erhöhung des Flussbettes”, erklärt der Professor an der Freien Universität Bozen. „Der Prozentsatz der Gletscherabflüsse hängt eng mit der Menge des Feststofftransports zusammen”, schließt Francesco Comiti. „Die Modellierung von Zukunftsszenarien wird es uns ermöglichen, die Entwicklung von Bächen und Flüssen nach dem Abschmelzen der Gletscher zu verstehen, und somit die erhöhte Hochwassergefahr zu ermitteln. Mit effektiveren Überwachungs- und Prognosesystemen können wir dazu beitragen, die Hochwassergefahr in den Alpentälern zu reduzieren.“