Territoriale Neuordnung und Minderheitenprobleme

Der Pariser Frieden 1919/20

Montag, 07. Oktober 2019 | 20:09 Uhr

Von: bba

Bozen – Welche langfristigen Folgen hatten die Friedensverträge von 1919/20? Und inwiefern wirkte sich die Pariser Ordnung auf ‚alte‘ und ‚neue‘ Minderheiten aus? Eine hochkarätig besetzte Vortragsreihe an der Freien Universität Bozen beschäftigt sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem schwierigen Erbe des Pariser Friedens.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges berieten die alliierten Siegermächte auf der Pariser Friedenskonferenz über die Nachkriegsordnung. Die Unterzeichnung der Friedensverträge jährt sich 2019/20 zum hundertsten Mal. Die vom Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen aus diesem Anlass von Oktober 2019 bis Januar 2020 organisierte Vortragsreihe fragt nach dem Stellenwert der Friedenskonferenz und der in Paris geschlossenen Verträge als Grundlage für eine globale Neuordnung. In einem ersten Teil von Vorträgen geht es um die allgemeine historische Einordnung des Pariser Friedens, um die Bedeutung der Friedensverträge von St. Germain und Trianon sowie um die Rolle des Minderheitenschutzes im Kontext der Pariser Konferenz. Im zweiten Teil werden in mehreren Vorträgen verschiedene regionale Fallbeispiele präsentiert und diskutiert. Am Beispiel dreier europäischer Grenzregionen (Schleswig, Elsass-Lothringen und Tirol) sollen vor allem Ähnlichkeiten und Unterschiede aufgezeigt werden, die sich im Rahmen der Entscheidung über regionale Grenzfragen und der damit zusammenhängenden Minderheitenproblematiken in Paris beobachten lassen.

Den Reigen der Vorträge eröffnet am Freitag, den 11. Oktober 2019, der bekannte Hildesheimer Historiker und Universitätsprofessor Michael Gehler, der sich aus einer breiten Perspektive mit den Folgen des Ersten Weltkrieges beschäftigt („Von der Selbstentmachtung Europas zum Aufstieg neuer globaler Mächte 1914–1922). Der Krieg hinterließ in Mitteleuropa eine verfeindete und zersplitterte Staatenwelt als Folge des Zerfalls von vier Großreichen. Der Vortrag legt seinen Fokus auf eine Welt im Wandel, die, so Gehler, im Zeichen der „Selbstentmachtung Europas“ stand. Er analysiert den Aufstieg der Vereinigten Staaten von Amerika und geht auf die Rolle Russlands ein, das keineswegs lediglich als „östliche Peripheriemacht“ gesehen werden kann. Im größeren Zusammenhang wird schließlich das Machtverhältnis zwischen Moskau, Peking und Tokio skizziert. Besonders in den Jahren von 1917/18 bis 1920 spiegeln sich nicht nur Entwicklungslinien der europäischen, sondern auch weite Teile der Weltgeschichte von zunächst noch scheinbar nebeneinander bestehenden Erdteilen wider, die jedoch mehr und mehr wechselseitig verbundene, verflochtenere wie vernetzte Globalgeschichte schreiben sollten. Im Rahmen dieser globalgeschichtlichen Betrachtung geht es schließlich auch um die zentrale erinnerungskulturelle Frage: Was wirkt von diesen Jahren bis heute nach?

 

Termin:

Eröffnungsvortrag von

Prof. Michael Gehler (Stiftung Universität Hildesheim)

Von der Selbstentmachtung Europas zum Aufstieg neuer globaler Mächte 1914–1922

Ort: Freie Universität Bozen, Universitätsplatz 1, Campus Bozen

Hörsaal: D1.02

Zeit: 11.10.2019, 17.30

 

Zur Person

Prof. Mag. Dr. Michael Gehler, geb. 1962 in Innsbruck, Leiter des Instituts für Geschichte an der Universität Hildesheim, Jean-Monnet Chair (seit 2006) und korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien; Forschungsschwerpunkte: Geschichte Tirols und Südtirols, Österreichs, Deutschlands, Europas und der Imperien, internationale Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung der europäischen Integration und transnationale Parteienkooperation.

Bezirk: Bozen