Von: mk
Schlanders/Meran – „O Fortuna velut luna statu variabilis semper crescis aut decrescis…“ heißt es in den berühmten Carmina Burana von Carl Orff: Wie der Mond ist das Glück veränderlich, nimmt ab und nimmt zu. Zum 700-Jahr-Jubliäum der Stadt Meran hat sich der Bezirk Burggrafenamt-Vinschgau im Südtiroler Chorverband etwas ganz Besonderes vorgenommen: die Aufführung dieses berühmten Chorwerks mit Sängern und Sängerinnen aus dem Bezirk am 17. und 19. November in Meran und Schlanders.
Die Idee hatte Bezirkschorleiter Josef Sagmeister, dem auch bewusst ist, dass es sich um ein anspruchsvolles Werk handelt: „Wir dachten uns, ein weltliches Werk passt gut zum Stadtjubiläum. Außerdem sind es sehr schöne Melodien und Texte, die auch heute noch aktuell sind, geht es doch um das Rad der Fortuna, des Schicksals, das die einen hinaufträgt, die anderen sinken lässt. Das ist auch heute noch so.“ Die Carmina Burana sind eines der meistaufgeführten Chorwerke überhaupt und gehören zu den bedeutendsten Chorwerken des 20. Jahrhundert. „Ein Werk, das meiner Meinung nach jeder engagierte Chorsänger einmal im Leben gesungen haben soll“, sagt Josef Sagmeister.
Der Komponist Carl Orff
Komponiert hat sie der Münchner Carl Orff (1895-1982), der Klavier, Orgel und Cello spielte und im Alter von fünf Jahren bereits seine erste Komposition vorlegte. Er war auch Kirchenchorsänger und wusste deshalb, „wie man für einen Chor schreibt“, betont Sagmeister. 1924 gründete Orff die Orff-Schule mit freier Gymnastik, Tanz, Rhythmischer Erziehung. Orff war einer der ersten Musikpädagogen und schrieb eigene Stücke für Kinder, das „Orff-Schulwerk“. Kinder sollten durch musikalische Erziehung zu sich selber finden und ihre Persönlichkeit stärken. „In diesem Punkt war Orff sicher ein Vorreiter späterer Entwicklungen!“, betont Sagmeister. Orff schrieb 14 Bühnenwerke, Opern, Märchen, Theatermusik, Kantaten. Die Carmina Burana nennt er eine „szenische Kantate“ mit vielen rhythmischen Elementen, viel Schlagzeug – das waren seine Lieblingsinstrumente in der Schule, die sogenannten „Orff-Instrumente“. Die Carmina Burana sind Orff bekanntestes Werk – sie dienten etwa in über 70 Filmen als Filmmusik.
Carmina Burana: Liebe, Feiern, Gesellschaftskritik
Die Texte, die Orff vertonte, stammen aus einer Handschrift aus dem 11. bis 12. Jahrhundert aus dem Kloster Benediktbeuren in Südbayern und sind zum Großteil auf Latein verfasst. Die 254 Lieder und Dramentexte gehören zu den wichtigsten Sammlungen mittelalterlicher weltlicher Texte und wurden 1803 wiederentdeckt. Neben den lateinischen Texten gibt es auch mittelhochdeutsche und altfranzösische Texte, Orff hat alle drei Sprachen in sein Werk eingebaut. Worum geht es eigentlich in den Carmina Burana? Großes Thema ist wie gesagt das Rad der Fortuna, die Ungerechtigkeit der Welt, das Auf und Ab des Schicksals. Melancholie wechselt sich so mit Lebensfreude, vor allem Freude am „Feiern“ und an der Erotik ab, so dass einige Texte sicher als „anstößig“ empfunden wurden. Interessant ist, dass die Carmina Burana vielleicht in Kloster Neustift in Brixen entstanden sind, kommt doch eine Tiroler Sage mit Brixen vor, die man nur in Neustift kannte. Neben den 131 Liebesliedern gibt es noch 55 moralische und Spottgesänge, 40 Trink- und Spiellieder sowie zwei längere geistliche Stücke. Ein wichtiges Thema ist auch die Kritik an kirchlichen und politischen Missständen, so kommt ein „Evangelium nach der Silbermark“ und eine Parodie über das Klosterleben vor. Über den Buchstaben ist die Melodie in der Neumenschrift notiert, das heißt die Texte waren damals schon zum Singen gedacht. Orff erfand allerdings die Melodie ganz neu. 1937 wurden die von Orff vertonten 24 Lieder aus den Carmina Burana in Frankfurt uraufgeführt. Eingeteilt ist Orffs Werk in Frühlingslieder, „Fress- und Sauflieder“ und Liebeslieder. Eingerahmt wird alles vom Motiv der „Fortuna Imperatrix Mundi“, von der Göttin Fortuna, die das Schicksal der Menschheit bestimmt. Orff verwendet in seiner Komposition mittelalterliche Elemente, einfache Tanzmelodien und Kirchentonarten der Alten Musik.
„Bei unserer Aufführung werden wir versuchen, einen aktuellen Bezug herzustellen“, sagt der Bezirkschorleiter. Orff sah für die Aufführung ein Riesenorchester vor. „Wir werden eine reduzierte Version mit Klavier und Schlagzeug machen.“ Am 16. September begann der Bezirkschor die Proben, 12 Probentermine folgten. Neben dem Bezirkschor wird auch der Kinderchor der Musikschule Meran mitsingen, insgesamt werden so ca. 120 Sänger und Sängerinnen teilnehmen. Bezirkschorleiter Josef Sagmeister freut sich schon: „Nach der ersten Probe kann ich bestätigen, dass diese Musik eine faszinierende und magische Wirkung auf die Sänger und das Publikum hat. Die Sängerinnen und Sänger sind mit großem Einsatz dabei und ich freue mich jetzt schon auf die nächsten Proben und die Aufführungen.“ Zweifellos wird die Aufführung ein musikalisches Erlebnis für Teilnehmer und Zuhörer. Wie Orff selbst nach der Vollendung der Carmina Burana sagte: „Alles, was ich bisher gemacht habe, können Sie einstampfen. Mit den Carmina Burana beginnen meine gesammelten Werke.“
Die Aufführungen finden am 17.11.2017 um 20.00 Uhr im Kulturhaus Karl Schönherr in Schlanders und am 19.11. 2017 um 18.00 Uhr im Kursaal in Meran statt.