Von: luk
Bozen – Werden Afroamerikaner von der amerikanischen Verwaltung diskriminiert? Dieser Frage geht ein am Wochenende erschienener Artikel der New York Times nach. Er stützt sich auf die Arbeit eines Forschungsteams um Mirco Tonin, Professor an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Bozen.
Es ist diesmal keine akademische Fachzeitschrift, die sich mit der Forschungsarbeit der Freien Universität Bozen auseinandersetzt, sondern eine der weltweit renommiertesten Zeitungen. Unter dem Titel „It’s Not Easy to Prove Racism. This Study does“ (Es ist nicht leicht, Diskriminierung nachzuweisen. Diese Untersuchung tut es.) ist in der Printausgabe der New York Times vom 8. Oktober ein umfassender Artikel über die Arbeit eines Teams von Wirtschaftswissenschaftlern erschienen, dem auch Prof. Tonin angehört.
Mit seinen Kollegen von der Universität Southampton Corrado Giulietti und Michael Vlassopoulos hat sich der unibz-Professor die Frage gestellt, ob Afroamerikaner von der US-amerikanischen Verwaltung diskriminiert werden. Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine umfangreiche Feldstudie lanciert, in die rund die Hälfte aller Lokalverwaltungen in allen 50 US-Bundesstaaten eingebunden wurde, darunter Schulverwaltungen, Arbeitsämter, Sheriffbüros, Bibliotheken und Finanzämter. An sie gingen fingierte E-Mail-Anfragen der Forscher zu unterschiedlichsten Themen, die einmal mit typisch „weißen“ Namen unterzeichnet wurden (Jack Mueller oder Greg Walsh etwa), ein anderes Mal mit Namen, die auf eine afroamerikanische Abstammung schließen ließen (z.B. DeShawn Jackson oder Tyrone Washington).
Untersucht wurden daraufhin die Antworten der Behörden. „Grundsätzlich lag die Antwortquote mit rund 70 Prozent relativ hoch“, so Prof. Tonin, „allerdings mussten wir erhebliche Unterschiede in der Behandlung weißer und afroamerikanischer Antragsteller feststellen“. Während den Muellers und Walshs in 71 Prozent aller Fälle geantwortet wurde, waren es bei den Jacksons und Washingtons nur 67 Prozent. Noch größer als im Schnitt ist die Kluft bei den Sheriffbüros, die auf 53 Prozent der „weißen“ Anfragen reagiert haben, allerdings nur auf 46 Prozent der „schwarzen“.
„Diese Diskriminierung von Seiten der US-Behörden ist illegal“, betont Prof. Tonin, der darauf verweist, dass die Studie unterschwellige Ungleichbehandlungen aufzeige: „Sie ist doppelt gravierend, weil es gerade die Behörden sein müssten, die durch ihr Verhalten Vorurteilen entgegenwirken und die Eingliederung von Minderheiten fördern müssten, wie dies in der Vergangenheit der Fall war“, so der unibz-Forscher.
Prof. Mirco Tonin lehrt seit dem akademischen Jahr 2015/16 Wirtschaftspolitik und politische Ökonomie an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der unibz. Zuvor war er Ordinarius an der Universität Southampton in Großbritannien, mit der er immer noch zusammenarbeitet, zudem berät er die Weltbank und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO).
Das aus der Diskriminierungs-Feldstudie hervorgegangene Paper trägt den Titel „Racial Discrimination in Local Public Services: A Field Experiment in the US“ und wurde im Rahmen des Jahreskongresses des renommierten „National Bureau of Economic Research“ (NBER) in Cambridge (Massachusetts) vorgestellt. Der daraus entstandene New-York-Times-Artikel ist unter folgendem Link abrufbar: https://www.nytimes.com/2017/ 10/06/business/economy/racial- discrimination-government- officials.html