Von: luk
Bozen – Briefe, Postkarten und Aufzeichnungen: Forscher von Eurac Research sammeln Aufzeichnungen aus Südtirol vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. Dadurch wollen die Wissenschaftler neue Erkenntnisse im Bereich Minderheitenschutz, Sprachgebrauch und Sozialgeschichte erlangen und ein neues, anschauliches Bild des 20. Jahrhunderts in Südtirol zeichnen. Die Sammlung soll Schriftverkehr in allen Landessprachen beinhalten. Daher wenden sich die Forscher nun an alle Südtiroler, die im Besitz von Schriftverkehr sind mit der Bitte, ihnen die Dokumente für die digitale Sammlung zur Verfügung zu stellen. Aus der Hand geben, muss man die Erinnerungsstücke erst gar nicht.
„Besonders beeindruckend war für mich der Briefwechsel zwischen fünf Waisenkindern, die an unterschiedlichen Orten in Südtirol lebten und sich während der Optionszeit in über 100 Briefen darüber Gedanken machen, ob sie in Südtirol bleiben oder auswandern sollen. In den Briefen kommt die große Betroffenheit und Zerrissenheit dieser Menschen eindrucksvoll zum Ausdruck“, berichtet Georg Grote von Eurac Research, der seit einigen Jahren an der Sammlung arbeitet und bereits rund 5.000 Briefe und Postkarten, vorwiegend in deutscher Sprache, gesammelt hat.
Die Sammlung soll Briefe, Postkarten und Aufzeichnungen zu bedeutenden historischen Ereignissen umfassen, wie die Trennung Tirols, Italianisierung, Option, Bombenjahre, aber auch Schriftverkehr und Notizen, die Südtiroler Alltagsleben beschreiben. Neben deutschsprachigen soll die Sammlung auch italienischsprachige Quellen umfassen. „Deutsch- und italienischsprachiger Schriftverkehr, beispielsweise während den Bombenjahren, unterscheiden sich lediglich durch die Sprache: die Stimmung jener Zeit, Ängste und Sorgen lassen sich auf beiden Seiten gleichermaßen feststellen“, erzählt Grote.
Die Idee, die Geschichte eines Landes über das Alltagsleben der Bevölkerung zu erzählen, stammt aus dem angelsächsischen Raum. Die Sicht der einfachen Leute soll als Grundlage für Forschung in Bereichen wie Minderheitenschutz, Sprachgebrauch aber auch Konfliktforschung und Migration dienen. Jedoch nicht nur die Wissenschaft soll von der Sammlung profitieren: Sie soll für alle frei zugänglich sein und jüngeren Generationen helfen, die Vergangenheit besser zu verstehen.
Falls Sie im Besitz solcher Dokumente ist und sie der Sammlung zur Verfügung stellen möchte, wenden Sie sich bitte an die Forscher von Eurac Research. Sie werden in den nächsten Monaten in Südtirol unterwegs sein und die Quellen vor Ort mit ihrer Digitalkamera fotografieren, wobei Sie ihre Erinnerungsstücke erst gar nicht aus der Hand geben müssen. Die absolute Anonymität der Quellen wird garantiert. Kontaktaufnahme über Georg Grote, georg.grote@eurac.edu, Tel. 334/2219601.