Von: bba
Bozen/Tartsch – In einer Studie untersuchen Forscher von Eurac Research, wie sich Klimaveränderungen auf den Lärchenbestand im oberen Vinschgau auswirken
In den heimischen Wäldern ist die Lärche weit verbreitet: Nach der Fichte tritt sie mit einem Anteil von 19 Prozent am häufigsten auf. Bislang galt sie gegenüber klimatischen Veränderungen als widerstandsfähig, das hat sich in den vergangenen Jahren jedoch geändert. Zu diesem Schluss kommen Forscher von Eurac Research, die seit 2012 aufgezeichnet haben, wie die Lärche auf steigende Temperaturen und längere Trockenperioden in unterschiedlichen Höhenlagen im oberen Vinschgau reagiert. Die Studienergebnisse wurden im renommierten Fachjournal „New Phytologist“ veröffentlicht.
„Die Ergebnisse haben uns überrascht. Uns war klar, dass die Lärche in tieferen Lagen von Trockenstress bedroht ist. Dass dies jedoch bis auf 1.700 Meter der Fall ist, haben wir nicht erwartet“, sagt Nikolaus Obojes von Eurac Research. Bei anhaltendem Trockenstress schließen Pflanzen ihre Spaltöffnungen um die Verdunstung und damit ihren Wasserverlust zu minimieren. Dadurch können sie aber auch kein Kohlendioxid aufnehmen, das sie brauchen, um mittels Photosynthese Zucker für ihr Wachstum zu produzieren. Als Folge davon wachsen die Bäume schlecht, verlieren an Vitalität und sind anfälliger für Schädlinge und Krankheiten.
Seit 2012 untersuchen die Forscher von Eurac Research an verschiedenen Standorten – vom Tal bei Tartsch bei 1.070 Metern bis zur Waldgrenze auf 2.250 Höhenmetern – wie es der Lärche im oberen Vinschgau geht. Mit Sensoren messen die Wissenschaftlicher etwa den Wassertransport im Stamm und seinen Umfang und erhalten so Informationen zum Zustand der Lärche. Ist es längere Zeit trocken, reduzieren die Bäume ihre Verdunstung und damit den Wassertransport im Stamm. Aus diesem Grund schrumpft der Stammumfang bis zum nächsten Regen, weil Wasser verbraucht wird, das im Stamm gespeichert ist.
Vom Stamm entnehmen die Forscher außerdem Bohrkerne; an den Jahresringen lassen sich nämlich die Wachstumsbedingungen ablesen. Werden die Jahresringe schmäler, waren die Wachstumsbedingungen schlecht: im Tal meistens zu trocken, am Berg zu kalt. „Insbesondere ab dem Rekordsommer 2003 konnten wir feststellen, dass die Lärchen in tieferen Lagen schlechter wachsen, während sie sich an der Waldgrenze immer besser entwickeln“, erklärt Obojes. „So hat sich das jährliche Dickenwachstum der Lärchenstämme an der Waldgrenze mit der Erwärmung in den vergangenen 40 Jahren mehr als verdoppelt. Die besten Bedingungen für die Lärche finden sich im Vinschgau auf etwa 2.000 Metern, hier sind die Klimaeinflüsse bislang am geringsten und der Zuwachs längerfristig am höchsten“.
Der Vinschgau gilt als eines der trockensten Alpentäler und ist Anzeiger für die Klimaauswirkungen im Alpenraum in den nächsten Jahrzehnten. Deshalb forscht Eurac Research dort seit mittlerweile zehn Jahren und ist in ein internationales Netzwerk für ökologische Langzeitforschung (LTER – Long term ecological research) eingebunden. „In einer einfachen Modellrechnung haben wir die gesammelten Daten auf den Alpenraum hochgerechnet. Unsere Berechnung hat ergeben, dass die Lärche in hundert Jahren vor allem in trockenen und tiefen Lagen der großen Alpentäler massiv unter den Klimabedingungen leiden wird“, erklärt der Ökologe. Das wird laut Forschern dazu führen, dass die Lärche und andere Nadelhölzer in tieferen Lagen immer häufiger durch Laubbäume wie etwa Flaumeiche, Mannaesche oder Hopfenbuche ersetzt werden. Auch exotische Arten wie Robinie oder Götterbaum werden künftig immer häufiger in unseren Wäldern zu finden sein werden, schlussfolgern die Wissenschaftler. “Die massiven Sturmschäden Anfang November haben gezeigt, wie wichtig stabile und möglichst vielfältige Wälder sind. Gerade die Lärche wirkt aufgrund ihres tiefen Wurzelsystems oft als stabilisierender Faktor“, sagt Obojes.