Stammzellforschern der Universität Innsbruck gelingt Durchbruch

Gehirnstammzellen aus Blut

Donnerstag, 20. Dezember 2018 | 19:20 Uhr

Von: ka

Innsbruck – Stammzellforschern der Universität Innsbruck ist es erstmals gelungen, aus menschlichen Blutzellen Gehirnstammzellen zu züchten. Damit ist es nun wesentlich leichter, vom Patienten Stammzellen zu erhalten, mit denen man Erkrankungen des Nervensystems, wie z.B. Alzheimer oder Multiple Sklerose, besser verstehen und künftig heilen kann.

Ein Team aus Forschern der Universität Innsbruck um Prof. Frank Edenhofer vom Institut für Molekularbiologie und des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg hat menschliche Blutzellen durch Expression von vier Transkriptionsfaktoren in neurale Stammzellen reprogrammiert. Die reprogrammierten Stammzellen können sich unbegrenzt vermehren und in Zellen sowohl des zentralen als auch des peripheren Nervensystems ausreifen. „Außerdem haben wir mittels der Genschere CRISPR/Cas9 ein Modell für eine menschliche Schmerzerkrankung geschaffen, das die Entwicklung von Schmerzmedikamenten erleichtern wird“, erklärt Frank Edenhofer.

Schon bisher mit Hautzellen

Den Innsbrucker Forschern war vor kurzem schon die Umwandlung von Hautzellen in Gehirnstammzellen gelungen – die nun veröffentlichte Verwendung von Blutzellen wird die biomedizinische Anwendung wesentlich erleichtern. Blutzellen können im Gegensatz zu Hautzellen sehr einfach vom Patienten gewonnen werden, die Blutentnahme ist im Gegensatz zur Hautbiopsie zudem klinische Routine. Stammzellen können praktisch jede andere Zelle des Körpers bilden – und sind damit Hoffnungsträger für eine ganze Reihe von Therapien für bislang nicht heilbare Krankheiten. „Aus Stammzellen gezüchtete Zellen können mitunter fehlerhafte oder kranke Zellen ersetzen und so zur Heilung von Krankheiten beitragen“, sagt Prof. Frank Edenhofer.

Die Wissenschaftler verwendeten in der aktuell publizierten Forschung moderne Einzelzell-Sequenziermethoden, um die Stammzellen zu identifizieren. Die in der renommierten Zeitschrift „Cell Stem Cell“ veröffentlichte Entdeckung wird tiefe Einblicke in die Entwicklung des menschlichen Nervensystems erlauben und eine Quelle für neurale Stammzellen liefern – die dann in der regenerativen Medizin eingesetzt werden können, wie Frank Edenhofer erläutert: „Neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer oder auch chronisch-entzündliche Erkrankungen des Nervensystems wie Multiple Sklerose sind heute mit gängigen Mitteln nicht heilbar, die Medizin kann sie höchstens lindern. Mit einer Behandlung mit im Labor erzeugten Stammzellen direkt am Gehirn kann ein Fortschreiten von Parkinson bei betroffenen Patienten möglicherweise aufgehalten werden, daran forschen wir intensiv.“ Frank Edenhofer ist auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Stammzellforschung; die Gesellschaft verfolgt das Ziel, die wichtigsten Akteure der Stammzellforschung in Österreich zu vernetzen.

Die Publikation:

Marc Christian Thier, Oliver Hommerding, Jasper Panten, Roberta Pinna, Diego García-González, Thomas Berger, Philipp Wörsdörfer, Yassen Assenov, Roberta Scognamiglio, Adriana Przybylla, Paul Kaschutnig, Lisa Becker, Michael D. Milsom, Anna Jauch, Jochen Utikal, Carl Herrmann, Hannah Monyer, Frank Edenhofer, Andreas Trumpp: Identification of Embryonic Neural Plate Border Stem Cells and their generation by direct reprogramming from human blood, Cell Stem Cell 20.12.2018, DOI: https://doi.org/10.1016/j. stem.2018.11.015