Von: mk
Lichtenstern – „Nur, damit du es weißt: Die kommende Woche wirst du auf dem Ritten verbringen“, eröffnete Maria Berger ihrem Mann Meinrad. „Du machst dort Urlaub von der Pflege“. Das war vor vier Jahren und seitdem war Berger jedes Mal dabei. Im Mai fand die zehnte Ausgabe des Erholungsseminares statt, das der Katholische Familienverband Südtirol (KFS) gemeinsam mit dem Haus der Familie in Lichtenstern organisiert.
So wie Meinrad Berger, der jahrelang seine demente Schwiegermutter pflegte, ist es einigen der 11 Teilnehmenden ergangen. Sich selbst aus der Pflegsituation zu lösen, ist nicht leicht. Manchmal braucht es einiges an Überzeugungsarbeit. „Meine Kinder haben sich so viel Mühe gegeben, mich zu einer Anmeldung zu überreden, da konnte ich gar nicht mehr nein sagen“, berichtet Emma Thöni, die zum ersten Mal zur Erholungswoche nach Lichtenstern kam. „Am Anfang war es schwer, sich auf die Woche einzulassen. Mittlerweile bin ich sehr froh über meine Entscheidung.“ Waltraud Schöpf war schon im Vorjahr in Lichtenstern: „Noch bevor ich überhaupt wusste, wann Urlaub von der Pflege heuer stattfinden würde, hat sich meine Tochter informiert und frei genommen, um in dieser Zeit anstatt mir die Pflege zu übernehmen.“
Rechtzeitig um Kurzzeitpflege ansuchen
Wenn die Pflegebedürftigen während der fünf Tage weiter in der Familie betreut werden können, ist das der Idealfall. Leider können die Verwandten nicht immer einspringen. Dann ist ein Kurzzeitpflegeplatz die einzige Alternative. „Doch darum muss mindestens ein halbes Jahr zuvor angesucht werden“, bedauert Notburga Wiedenhofer. „Das ist mit ein Grund, dass viele unser Angebot nicht nutzen können“, erklärt Silvia Dalvai, pädagogische Mitarbeiterin im KFS und Koordinatorin der Erholungswoche. „Brigitte Waldner, Direktorin im Amt für Senioren und Sozialsprengel hat uns ihre Hilfe zugesichert und wir bieten den Interessierten gerne Unterstützung bei der Suche nach einem Pflegeplatz für diese Zeit an.“ Etwa 11.000 Pflegebedürftige in Südtirol werden im eigenen Zuhause betreut. Meistens sind es die Frauen, die die Pflegearbeit übernehmen – oft über Jahre, wie etwa Anna Wiedenhofer, die zuerst ihre Tante, dann ihre Eltern gepflegt hat. Nun kümmert sie sich um ihren Mann. Die Betreuung eines pflegebedürftigen Menschen ist intensiv und erfordert Kraft. Um nicht selbst an die Grenzen der Belastbarkeit zu gelangen, ist es wichtig, sich regelmäßige Erholungsphasen zu nehmen. „Gott sei Dank habe ich das rechtzeitig erkannt“, betont Gertrud von Piristi.
Selbstheilungskräfte aktivieren
Entspannung lässt sich nicht erzwingen, denn sie bedeutet loslassen zu können. Wie keine Zweite ging Kursleiterin Hildegard Kreiter, Kneipp-Gesundheitstrainerin und Kräuterpädagogin, in ihrer Aufgabe auf, die Teilnehmenden aus ihren Gedanken an zuhause zu holen und ihr umfassendes Wissen über die Natur und die Selbstheilungskräfte mit ihnen zu teilen. „Man kann hier genießen und Abstand gewinnen“, erzählt Kathy Volgger. Es tue gut, sich mit Menschen auszutauschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Das bestätigen auch Genoveva Putzer und Alberta Schweigl. Bei Urlaub von der Pflege wurde wieder gewandert, geturnt und auch gesungen. Als besonderer Gast war Paul Dalvai mit seiner Gitarre auf den Ritten gekommen und sorgte nicht nur für gekonnte Begleitung, sondern gab auch selbst einige Lieder und Mundartdichtungen zum Besten. Auch Familienseelsorger Toni Fiung besuchte die Gruppe. „So viel gelacht und geblödelt habe ich lange nicht mehr“, fasst Anna Maria Mahlknecht die Woche zusammen. „Eine andere Umgebung und eine neue Kulisse helfen dabei, den Kopf wieder frei zu bekommen“, weiß auch die langjährige Teilnehmerin Marianne Ulm.
Neu: Urlaub von der Pflege nun auch im Herbst
Um noch mehr pflegende Angehörige mit dem Angebot zu erreichen, wird es nun auch im Herbst eine Erholungswoche geben, nämlich von Sonntag, 7. Oktober bis Freitag, 12. Oktober 2018, immer im Haus der Familie in Lichtenstern. Anmeldungen werden bereits entgegengenommen: info@familienverband.it. Anmeldeschluss ist der 21. September.