Von: luk
Bozen – Über 400 Experten und Interessierte waren am 26. Jänner bei der internationalen Tagung „Gesellschaft und gebautes Erbe“ mit renommierten Referenten in Bozen.
Die Denkmalschutzbindung in Südtirol und Vergleiche mit anderen Ländern, kulturelle Aspekte der Denkmalpflege ebenso wie gegenwärtige und künftige Herausforderungen waren die Inhalte der Tagung „Gesellschaft und gebautes Erbe. Denkmalschutzbindung und Denkmalpflege im regionalen Vergleich“ mit Fachleuten aus verschiedenen Ländern, die das Ressort für Denkmalpflege des Landes in Bozen organisiert hatte. Denkmalschutz sei ein aktuelles, interessantes, oft aber auch ein schwieriges und kontroverses, aber vor allem für Minderheiten wichtiges Thema, unterstrich Denkmalpflege-Landesrat Florian Mussner bei der Begrüßung der über 400 Tagungsteilnehmer. Nicht ganz so einfach sei Denkmalschutz dann, wenn in privates Eigentum eingegriffen werde, so der Landesrat. „Oft hilft das Gespräch, transparente Aufklärung und/oder das Anbieten von Lösungen und finanzielle Hilfe“, sagte Mussner. „Wir wollen keine Käseglocke über Immobilien stülpen, historische Epochen wieder aufleben lassen oder Museumsdörfer schaffen, sondern eine Verbindung zur Geschichte erhalten, denn denkmalgeschützte Gebäude sind tragende Säulen unserer Geschichte und Kultur, machen die Vergangenheit greifbar und sie zu pflegen bedeutet auch Identität zu pflegen“, betonte Landesrat Mussner.
Professor Salvatore Settis von der nationalen Akademie der Wissenschaften Italiens referierte über das Schicksal historischer Ortskerne zwischen „Kulturgut“ und „gentrification“. Er verwies auf die moralische Verpflichtung, Schützenswertes zu erhalten und zeigte auf, dass gerade historische Zentren in Italien nicht mehr gerne bewohnt werden, wirtschaftlichen Interessen unterworfen sind, aber in anderen Ländern nachgebaut werden. Den Schutz immobiliarer Kulturgüter aus dem Blickwinkel der Rechtsgebung beleuchtete die Professorin für Verwaltungsrecht Anna Simonati von der Universität Trient. Der Tiroler Landeskonservator Walter Hauser ging auf die Standards der Baudenkmalpflege ein und auf die Denkmalpflege im Spannungsfeld von Baunormen und Richtlinien und berichtete dabei über den Versuch Leitplanken im Umgang mit dem kulturellen Erbe im Sinne des Erforschen, Erhalten und Verändern zu errichten.
Architektin Renata Codello aus dem Ministerium Kulturgüter und Tourismus Venetiens zeigte Schutzinstrumente für den Erhalt historischer Bauten auf, wobei sie auf Mittel des für Kultur und Tourismus zuständigen Ministeriums verwies und mehrere konkrete Eingriffe in Venedig vorstellte. Professor Bernhard Furrer vom Bund Schweizer Architekten hob hervor, dass ein Baudenkmal ein Zeugnis sei, dass authentisch und integral in die nächste Generation überliefert werden müsse, und dass die Planung an einem Baudenkmal gleich von Beginn an auf die Denkmalverträglichkeit auszurichten sei, denn die Nutzung desselben habe sich am Baudenkmal zu orientieren – nicht umgekehrt. Architekt Hans Jörg Ruch, ebenfalls vom Bund Schweizer Architekten brachte Beispiele „und nicht Rezepte“ von Denkmal-Pflege im Oberengadin, in einem Raum, in dem sich, wie er sagte, „im Verlaufe der Jahrhunderte unglaublich viel kulturelle Energie angesammelt hatte“ mit dem Hinweis, dass auch Bescheidenheit angesagt wäre. Überlegungen und Beispiele für Denkmalpflege- und schutz in Südtirol zeigte Architekt Zeno Bampi aus Neumarkt auf. Er nahm Bezug darauf, dass in der Datenbank der Landesabteilung Denkmalpflege rund 5000 denkmalgeschützte Bau- und Kunstdenkmäler aufscheinen, das zuständige Amt pro Jahr rund 1500 Lokalaugenscheine macht und es somit einen enormen Abreitsaufwand im Bereich gibt. Laut Bampi muss sich die Mehrheit der Gesellschaft bewusst sein, dass eine kleine Minderheit der Gesellschaft durch ihr Engagement und oft durch Verzicht die kultur- und gesellschaftspolitische Verpflichtung zum Denkmalschutz garantiert. Besonders wichtig wäre es, mehr Menschen zu Botschaftern und Vermittlern der Denkmalpflege zu machen, so der Architekt.
Über innovative Denkmalpflege sprach Professor Giorgio Bonsanti von der Universität Florenz. Dabei hob er hervor, dass eine innovative Denkmalpflege in Italien in erster Linie im intelligenten Erhalt der vielen bereits vorhandenen Bauten bestehe, wobei das Grundbedürfnis des Wohnens der Menschen nicht außer acht gelassen werden dürfte.
Über den gesellschaftspolitischen Hintergrund und die Arbeit der Initiative für die Beethovenhalle in Bonn, die vor wenigen Jahren zugunsten eines Festspielhauses abgerissen werden sollte, referierte Martin Bredenbeck vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz in Köln. Mit Einbezug der Bürger, einer Strategie zur positiven Bewusstseinsbildung und einer Mischung aus Emotion und Information gelang es, die Beethovenhalle zu erhalten.