Von: mk
Brixen – Eine historische Lücke ist geschlossen: Der Jahresband 1785 der Hofratsprotokolle – über 200 Jahre lang im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck verwahrt – ist nun wieder Teil des Diözesanarchivs in Brixen. Die Rückgabe erfolgte auf Basis des archivwissenschaftlichen Prinzips der Herkunft und stärkt die vollständige Überlieferung einer zentralen Quellengruppe zur Geschichte des Fürstbistums Brixen.
Der Band mit den Protokollen des fürstbischöflichen Hofrats aus dem Jahr 1785 war seit über 200 Jahren nicht mehr im Bestand des Diözesanarchivs Brixen. Wahrscheinlich gelangte er im Zuge der Säkularisation 1802/03 irrtümlich nach Innsbruck, als große Teile des Hofarchivs der aufgelösten geistlichen Fürstbistümer an die Grafschaft Tirol übergeben wurden. In der Eile der Aktion wurden nicht alle Auswahlkriterien eingehalten – der Band wurde übersehen und in die Handschriftenabteilung des Tiroler Landesarchivs eingereiht.
Rückgabe nach wissenschaftlichen Grundsätzen
Aus Gesprächen mit ihrem Vor-Vorgänger, Dompropst Karl Wolfsgruber, war der Direktorin des Diözesanarchivs, Erika Kustatscher, bekannt, dass sich der Band in Innsbruck befand. Im Oktober 2014 wurde ein offizielles Rückgabegesuch gestellt – begründet mit dem sogenannten Provenienzprinzip: Archivalien gehören dorthin zurück, wo sie entstanden sind. Diese fachliche Argumentation wurde sowohl vom Tiroler Landesarchiv als auch von der Generaldirektion des Österreichischen Staatsarchivs in Wien anerkannt. Die formelle Bestätigung der Rückgabe erfolgte am 13. Dezember 2024. Am 3. April 2025 wurde ein entsprechender Vertrag zwischen der „Stiftung Hofburg Brixen: Diözesanmuseum und Diözesanarchiv“ und dem Land Tirol unterzeichnet. Am 8. April 2025 überreichte Christoph Haidacher, Direktor des Tiroler Landesarchivs, den Band feierlich an Archivdirektorin Erika Kustatscher.
Ein zentraler Baustein historischer Forschung
Mit dem Band von 1785 ist die von 1515 bis 1803 reichende Serie der Hofratsprotokolle nun wieder vollständig erhalten. Die Protokolle dokumentieren die Tätigkeit des wichtigsten Beratungsgremiums des Bischofs in weltlichen Angelegenheiten: Sie geben Aufschluss über die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen des Fürstbistums – von der öffentlichen Ordnung über die Marktpreise bis hin zur Überwachung von Beamten, Berufsgruppen und religiösen Fragen.
„Die wissenschaftliche Erforschung solcher Themen zu fördern“, so Erika Kustatscher, „gehört zu den zentralen Aufgaben des Diözesanarchivs, das durch die Erfüllung hoher Standards einen wichtigen Beitrag zu einer positiven Wahrnehmung der Kirche in der Gesellschaft zu leisten bestrebt ist.“ Die nun wieder geschlossene Quellengruppe ermöglicht neue Forschungsansätze – etwa zur politischen Rolle des Fürstbistums im Heiligen Römischen Reich oder zur Alltagswelt der Menschen.
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