Von: ka
Innsbruck – Das charakteristische Farbmuster aus roten oder gelben Bändern auf den schwarzen Flügeln ist typisch für die giftigen Schmetterlingsarten in der Gattung Heliconius. Zum Schutz vor natürlichen Räubern teilen sich dieses Warnmuster mehrere Arten. Markus Möst vom Institut für Ökologie hat gemeinsam mit einem internationalen Team die Genetik dieser Flügelmuster untersucht. Die Ergebnisse wurden nun im Magazin PloS Biology veröffentlicht.
Der extrem bittere Geschmack der Heliconius-Schmetterlinge macht sie für Vögel ungenießbar. Die natürlichen Räuber haben gelernt, das typische Muster der Flügel als Signal für ungenießbare Beute zu interpretierten und zu meiden. „Bedingt durch den evolutionären Druck ist es verschiedenen Arten dieser Gruppe durch Mutation aber auch durch genetischen Austausch regulierender Elemente gelungen, sich aneinander optisch anzugleichen. Jungvögel müssen erst lernen, dieses Flügelmuster mit Giftigkeit zu assoziieren. Je mehr Schmetterlinge das Muster annehmen, umso höher ist der Schutz der einzelnen Individuen“, so Markus Möst, der die sogenannte Müllersche Mimikry eingehend studiert. Wie und ob sich die Flügelmuster unter Selektion noch weiter verändern und wie sich die unterschiedlichen Arten von Heliconius auch regional anpassen, hat der Evolutionsökologe, gemeinsam mit einem internationalen Team untersucht. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass diese Art der stabilisierenden Selektion die Flügelmuster konstant halten sollte, zeigt eine neue Arbeit nun, dass dieser Prozess durchaus dynamisch ist und sich die Flügelmuster verändern können.
Bestimmende Gene
Heliconius Schmetterlinge sind in Süd- und Mittelamerika heimisch. Die Heliconius melpomene Gruppe und die Heliconius erato Gruppe haben sich aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelt, sind genetisch aber gänzlich voneinander getrennt. Obwohl sie ein anderes Verhalten zeigen oder unterschiedliche Pheromone zur Partnersuche nützen, können sie optisch kaum voneinander unterschieden werden. „Heliconius Schmetterlinge sind eine artenreiche Gattung mit vielfältigen Warnmustern und stellen eine sogenannte adaptive Radiation dar. Genetisch sind die beiden Gruppen, ‚erato‘ und ‚melpomene‘, aber so weit voneinander entfernt, dass sie sich auch nicht mehr kreuzen können. Innerhalb der Gruppe gibt es allerdings Arten, wie etwa H. melpomene und H. timareta, die sich selten, aber doch, noch kreuzen und durch einen Prozess, der adaptive Introgression genannt wird, Flügelmustergene austauschen können“, so Möst. Wie ihre Flügelmuster genetisch codiert sind, ist dem Wissenschaftler bereits aus zahlreichen vorhergehenden Untersuchungen von Kolleginnen und Kollegen relativ genau bekannt. Auch wurden vier Stellen im Genom, sogenannte Genloci, die für das typische Muster verantwortlich sind, identifiziert. „Ein Locus für das rote Muster, einer für das gelbe Muster, ein anderer definiert die Form des Bands am Vorderflügel und ein weiterer kann das Gelb im Muster in Weiß umschalten“, erklärt Möst. Mutationen, die neue Muster generieren passieren immer wieder, aber meist bedarf es einer Änderung im Selektionsdruck, der auf die Muster ausgeübt wird, damit sich ein neues Muster durchsetzen kann. „Die Selektion auf einen Locus heißt meist auch, dass eine Variante gefördert wird und eine andere nicht. Eigentlich arbeitet dieser Mechanismus gegen die Diversität in einer Population, denn es wird in der Regel das behalten und weitervererbt, was vorteilhaft ist und nachteilige Varianten ausselektioniert“, so Möst.
Schwungvolle Anpassung
In der von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durchgeführten Studie wurden an die 600 Individuen aus 53 Populationen genetisch untersucht. Erst in dieser Vielfalt war es möglich, die Populationen miteinander zu vergleichen und zu untersuchen, ob die Muster seit der Selektion in der Vergangenheit statisch sind, oder ob es sich um einen dynamischen Prozess handelt. „Trotz der Anpassung durch die Müllersche Mimikry zeigen die Schmetterlinge zahlreiche regionale Varianten in ihren Flügelmustern. Ziel der von uns durchgeführten Studie war es, zu zeigen, wie und wann sich diese Variationen entwickeln“, verdeutlicht Möst. Eine Möglichkeit sind neue Mutationen und konvergente Evolution zwischen Arten und Populationen der Heliconius erato und Heliconius melpomene Gruppe aber auch der Austausch bestehender Muster innerhalb der Gruppen ist bekannt. Bei der Sequenzierung konnten die Forscherinnen und Forscher in beiden Fällen sogenannte „selective sweeps“ feststellen, die auf einen starken und rezenten positiven Selektionsdruck schließen lassen. „Die große Vielfalt der Flügelmuster in Heliconius hat die Wissenschaft schon immer fasziniert, denn eigentlich müsste ein stabiles Muster der größte Schutz gegen natürliche Räuber sein. Nach der Analyse der molekularen Daten konnten wir sehen, dass es kein stabiles System, sondern ein dynamischer Prozess ist“, erläutert der Ökologe. Ein „selective sweep“ ist immer ein Zeichen für eine sehr starke positive Selektion und meint eine rapide Veränderung im Genom, die erst kürzlich in der Population fixiert wurde. Der deutlich positive Einfluss auf die Individuen und die daraus entstehenden Vorteile bedingen einen Sweep, der sich in nur wenigen Generationen in einer Population durchsetzen kann. „Positive Selektion kann die Häufigkeit der vorkommenden Varianten von Genen, sogenannte Allele, schnell ändern und nachweisbare Signaturen in einem Genom hinterlassen. In den Daten konnten wir überraschend viele Signale für Sweeps feststellen, was auch die Variationen erklärt“, so Möst. Die variantenreichen Farbmuster in Heliconius melpomene und Heliconius erato sind lokal zwischen den Gruppen deckungsgleich, genauso wie viele Sweep-Muster, aber regional unterschiedlich. Wie diese regionalen Variationen der Muster genau entstanden ist, zum Beispiel durch Unterschiede im Räuberdruck, muss noch erforscht werden. „Will man die Dynamik und die Stärke von Selektion in der Wildnis, in der Natur, verstehen, könnte man Populationen über einen langen Zeitraum beobachten. Da dies aber sehr zeitaufwändig und innerhalb eines Forscherlebens bei vielen Arten unmöglich ist, ist eine elegante Alternative das Studium adaptiver Radiationen wie etwa die der Heliconius Schmetterlinge. So kann man lernen, wie dynamisch natürliche Selektion sein kann, wie stark sie ist und wie sie temporal und regional unterschiedlich auftritt“, resümiert Möst. Mit dem in dieser Studie generierten Datensatz wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun noch weiteren evolutionären Fragestellungen nachgehen.
Internationale Zusammenarbeit
Markus Möst vom Institut für Ökologie an der Uni Innsbruck hat diese Studie in enger Zusammenarbeit mit dem Labor von Chris D. Jiggins an der Universität Cambridge durchgeführt und mit Kolleginnen und Kollegen weltweit kooperiert. Steven Van Belleghem von der University of Puerto Rico und Jennifer James von der University of Arizona sind neben dem Innsbrucker Ökologen die Hauptautoren der Studie. Camilo Salazar in Bogota und Simon H. Martin in Edinburgh haben mit umfangreichem Probenmaterial und bioinformatischer Expertise die Arbeit signifikant unterstützt. Sarah Barker in Cambridge, Gilson Moreira in Porto Alegre, Claire Mérot in Québec, Mathieu Joron in Montpellier, Nicola Nadeau in Sheffield und Florian Steiner, ebenfalls von der Arbeitsgruppe Molekulare Ökologie am Institut für Ökologie der Uni Innsbruck, haben zum Gelingen der Studie maßgeblich beigetragen.
Publikation: Selective sweeps on novel and introgressed variation shape mimicry loci in a butterfly adaptive radiation. Markus Moest, Steven M. Van Belleghem, Jennifer E. James, Camilo Salazar, Simon H. Martin, Sarah L. Barker, Gilson R. P. Moreira, Claire Mérot,Mathieu Joron, Nicola J. Nadeau, Florian M. Steiner, Chris D. Jiggins.