Heuer in den Landesmuseen

Hitler entsorgen, ein Wirtshaus vor 500 Jahren und der blaue Schurz

Dienstag, 28. Januar 2025 | 15:25 Uhr

Von: luk

Bozen – Was sah und hörte man während der Bauernkriege 1525 in einem Wirtshaus? Gehören Nazi-Überbleibsel in ein Museum oder darf man sie verkaufen? Und wie schaffte es der blaue Schurz von der einfachen Schutzbekleidung bis zum Standessymbol der Bauern und beliebten Souvenir? Mit diesen und vielen anderen Themen befassen sich heuer die Südtiroler Landesmuseen. Ein Überblick.

Das Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen beleuchtet in einem Forschungsprojekt die Geschichte der Archäologie in Südtirol von der Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus bis 1972. Zahlreiche Funde, die aus archäologischen Grabungen in Südtirol stammen, werden dabei erstmals dokumentiert. Besonders brisant dabei: Wie die Archäologie von den jeweiligen politischen Mächten ideologisch instrumentalisiert wurde. Ab 2025 können die Ergebnisse dieses Projekts in einer eigens konzipierten Ausstellung besichtigt werden.

Das Naturmuseum Südtirol in Bozen lädt weiterhin zur Sonderausstellung „Gras & Zähne“ ein, die die Kulturgeschichte der Weidewirtschaft in den Alpen beleuchtet. Parallel dazu schreitet die Erneuerung der Dauerausstellung voran, die sich auf die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur konzentriert. In der Forschung widmet sich das Naturmuseum vielseitigen Themen: Von der Erforschung der Wildbienen im Vinschgau bis hin zu paläontologischen Studien wie der Analyse von Ökosystemen zwischen den Ausbrüchen des Bozner Supervulkans mithilfe von Spurenfossilien und der DNS-Analyse der Südtiroler Kleinfischarten. Das Planetarium Südtirol in Gummer setzt im Frühjahr auf einen besonderen Fokus: eine Ausstellung über den visionären Raketenpionier Max Valier in Zusammenarbeit mit der Stiftung UPAD. Begleitet wird sie von Raketenworkshops, Filmvorführungen und Vorträgen. Gleichzeitig bleibt das Planetarium ein wichtiger Forschungsstandort zur Untersuchung der Lichtverschmutzung in Südtirol.

Die Landesmuseen organisieren auch Ausstellungen und Veranstaltungen im Rahmen des Euregio-Museumsjahrs „1525–2025 Museum.denk(t) weiter!“ über die deutschen Bauernkriege im Jahr 1525. Dabei nehmen Museen aus Südtirol, Tirol und dem Trentino dieses Ereignis zum Anlass, um Fragen der sozialen Gerechtigkeit, des Umgangs mit Krisen und gesellschaftlichen Umbrüchen sowie des Widerstands im musealen Kontext zu thematisieren. So auch das Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde in Dietenheim bei Bruneck: Hier greift die Sonderausstellung „gewisper – gerüchte – geschreӱ. Wirtshaus und Bauernkrieg 1525“ das genannte geschichtliche Ereignis auf. Als Kulisse dafür dient nicht ein Schlachtfeld, sondern eine Gaststube, die als Treffpunkt aller sozialen Schichten ein Umschlagplatz von Meinungen, Gerüchten und Medien war. Die Forschungstätigkeit des Museums befasst sich weiterhin mit den mit Stroh gedeckten Wirtschaftsgebäuden, die über Jahrhunderte die Südtiroler Kulturlandschaft prägten.

Das Südtiroler Landesmuseum für Jagd und Fischerei auf Schloss Wolfsthurn gibt in einer neuen Ausstellung Einblicke in die Kulturgeschichte der Jagdhunde, behandelt die enge, Jahrtausende zurückreichende Verbindung zwischen Mensch und (Jagd-)Hund und erklärt Jagdhundearten sowie Arbeitshunde. Zu hören sind außerdem Interviews mit Hundehalterinnen und -haltern über die Arbeit mit und die Beziehung zu ihrem Hund.

Das Südtiroler Weinmuseum in Kaltern bietet eine neue Themenführung für Schulklassen und Interessierte zum blauen Schurz an, der im Laufe der Geschichte einen Funktionswandel erlebt hat: Von seiner Rolle als Arbeits- und Schutzbekleidung entwickelte er sich zum Standessymbol der bäuerlichen Bevölkerung, zur Freizeit- und Vereinskleidung, bis hin zum regionalen Werbeträger und beliebten Souvenir.

Mit der Ausstellung „Hitler entsorgen: Vom Keller ins Museum“ des Hauses der Geschichte Österreich stellt sich die Festung Franzensfeste folgende Fragen: Was tun mit den Überbleibseln des Nationalsozialismus? Gehören sie in ein Museum? Sollten sie entsorgt werden? Ist es vertretbar, sie am Flohmarkt oder im Internet zu verkaufen? Was ist Erinnerung, was Verklärung und was gar Wiederbetätigung? Die Ausstellung will einen lokalen Reflektionsprozess anregen, der die genannten Fragen auf die Südtiroler Realität, insbesondere auf den Nationalsozialismus und Faschismus in Südtirol, überträgt, aber auch eine Ausweitung auf andere Diktaturen und deren Hinterlassenschaften zulässt. Hinzu kommen eine Ausstellung über die zwei Großbauprojekte Festung Franzensfeste in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und den Bau des Brenner Basistunnels fast 200 Jahre später mit Fotografien von Gregor Sailer sowie eine Fotoausstellung von Hans Günther Kaufmann über die drei monotheistischen Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam. Im Rahmen der Aktion „art X women“ werden im Herbst Kunstwerke ausgestellt, die gekauft werden können und deren Erlös dem Frauenhausdienst Brixen zugutekommt. Damit will die Festung für das Thema Gewalt gegen Frauen sensibilisieren.

Wie wird sich das Reisen in Zukunft verändern? Dieser Frage widmet sich die Treppenhausausstellung „Zukunft des Reisens“ im Touriseum – Landesmuseum für Tourismus – Schloss Trauttmansdorff in Meran. Die Ausstellung „Boom ‘70“ hingegen blickt zurück in den Tourismus der 70er Jahre mit all seinen Sonnen- und Schattenseiten. Zudem bietet das Museum einen neuen „Kinosaal“ mit sieben Sesseln und sieben Bildschirmen, die Videos und Interviews des Filmemachers Karl Prossliner zeigen.

Auf Schloss Tirol, Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte ist die Ausstellung „Bauern Power“ über Kulturleistungen des Bauernstandes und die zwei Kunstausstellungen im Bergfried „Elisabeth Frei“ und „Laurenz Stockner. HYLE“ zu sehen.

Das Museum Ladin präsentiert im Hauptsitz Ciastel de Tor in Sankt Martin in Thurn eine neue Sektion der Dauerausstellung zum Thema Musik und Kunst und wieder die Ausstellung “Countdown to Mass Extinction?” über das Massenaussterben am Ende der Permzeit und die heutige Klimakrise. Weiters finden die Woche des Klimawandels, das Musikkunstprojekt Upcycling Music mit Max Castlunger, Kunstausstellungen im Turm und eine neue Schatzsuche für Kinder und Jugendliche statt. Für diese Zielgruppe bietet das Museum heuer außerdem einen neuen Audioguide an.

Um den Bauernführer Michael Gaismair und den Bergbau geht es hingegen im Rahmen des Euregio-Themenjahres mit der Ausstellung „Silber, Blei und Bauernkrieg, Michael Gaismair und der Bergbau“ am Standort Ridnaun des Landesmuseums Bergbau.

Mehrere Veranstaltungen zu verschiedenen geschichtlichen Themen organisiert wieder das ebenfalls im Betrieb Landesmuseen angesiedelte Zentrum für Regionalgeschichte: Auf dem Programm steht etwa eine Vortragsreihe zu Landwirtschaft und Gesellschaft, die gemeinsam mit verschiedenen Partnern durchgeführt wird. Ferner veranstaltet es wissenschaftliche Tagungen zur regionalen Ernährungsgeschichte, zur Geschichte von Gasthäusern und Wirtsfamilien, sowie aus aktuellem Anlass zur 80. Wiederkehr des Kriegsendes 1945. Im Rahmen der Initiative „History on Tour“ organisiert das Zentrum Vorträge zur Regionalgeschichte im ganzen Land. Die Forschungsprojekte betreffen hingegen frauen- und geschlechtergeschichtliche Themen, soziale Randgruppen, die Geschichte der Südtirolautonomie und der öffentlichen Straßen- und Gebäudenamen sowie die ländliche Gesellschaft Tirols im 16. Jahrhundert.

Dazu Museenlandesrat Philipp Achammer: „Die Südtiroler Landesmuseen werden auch im Jahr 2025 ein vielfältiges Programm bieten und mit Ausstellungen, Führungen und Aktionen im Freien alle Altersgruppen ansprechen. Sie sind Orte des Nachdenkens, des Wachsens, des Lernens, des Staunens und des Fühlens, deren soziale Dimension notwendig ist, um sich mit der Gesellschaft zu vernetzen, soziale Schranken zu überwinden und neue Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen. Aus diesen Gründen unterstützt die Landesregierung diese Projekte mit voller Überzeugung.“

Besuchszahlen 2024

Insgesamt 702.572 Eintritte verzeichneten die Museen in Besitz der Autonomen Provinz Bozen im Jahr 2024. Die meisten Besuche verzeichnete wieder das Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen (310.744), gefolgt vom Touriseum (107.261), dem Landesmuseum Bergbau mit seinen vier Standorten Ridnaun, Schneeberg, Steinhaus und Prettau mit Klimastollen (64.674) und Schloss Tirol (62.406).

 

Bezirk: Bozen

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