Von: luk
Bozen/Sexten – Ein Forschungsprojekt der Plattform Kulturerbe und Kulturproduktion der Fakultät für Design und Künste greift Erinnerungskulturen an den Ersten Weltkrieg am Drei-Zinnen-Plateau und in Sexten auf. Am Samstag, 26. Juni 2021 um 20 Uhr wird das Forschungsprojekt im Haus Sexten in Sexten allen Interessierten vorgestellt.
Zweieinhalb Jahre lang, vom Sommer 2015 bis zum Spätherbst 1917, war in den Sextner Dolomiten die Weltkriegsfront zwischen den italienischen und österreichischen Truppen aktiv. Sexten und Moos standen unter Beschuss, wurden teilweise zerstört und mussten evakuiert werden. Die Bevölkerung wurden als Flüchtlinge bis zum Frühjahr 1918 auf verschiedene Gemeinden Tirols verteilt. Das Kriegsgeschehen, die Nöte der Menschen an der „Heimatfront“, das Leiden der Zivilbevölkerung und der Wiederaufbau sind bislang nicht umfassend dokumentiert und öffentlich vermittelt worden. In der Landschaft zeugen Fragmente von Schützengräben, Stellungen, Unterkünften und andere Relikte von Kampfhandlungen und dem Leben an der Front.
Die ehemalige Kriegslandschaft der Sextner Dolomiten und der Ort Sexten sind im Rahmen des von „Research Südtirol / Alto Adige 2019“ finanzierten, seit Herbst 2020 bis 2022 laufenden Forschungsprojektes „In die Landschaft eingeschrieben. Orte, Spuren, Erinnerungen. Der Erste Weltkrieg in den Sextner Dolomiten““ Orte der Erforschung von Relikten und Erinnerungskulturen. Das Projekt führt Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (Kulturerbe- und Geschichtswissenschaft, Konfliktarchäologie, Soziologie, Anthropologie, Geographie, Design und Kunst) der Freien Universität Bozen mit lokalen Trägern der Erinnerung zusammen.
Der Verein „Bellum Aquilarum“ und der Tourismusvereins Sexten sowie die Nachfahren der Kriegsgeneration und die Sextner Bevölkerung werden partizipativ ins Projekt eingebunden, mit den Nachbarn im Comelico und Cadore wird der Austausch gesucht. Das Schicksal der Zivilbevölkerung während des Kriegs, die Evakuierung von Sexten, das Leben als Flüchtlinge, die Rückkehr und der Wiederaufbau sind Schwerpunkte der historischen und soziologischen Forschung.
An den Kriegsschauplätzen des Drei Zinnen-Plateaus werden die noch zahlreich erhaltenen Relikte von Schützengräben, Stellungen, Baracken, Seilbahnen, Wegen und Inschriften erfasst. Die Dokumentation mit neuen Techniken, die zeichnerische Umsetzung und Überlagerung mit historischem Karten- und Fotomaterial machen die militärisch-kriegerische Besetzung der Landschaft erfahrbar. Zu den Zielen des Projekts gehören zudem Archivstudien in Wien und Rom und die Zusammenführung mit den erhaltenen Spuren, die Erschließung privater Sammlungen (Tagebücher, Briefe, Fotos, Sterbebilder) und die Erfassung der mündlichen Erinnerungen, Wahrnehmungen und Interpretationen der Nachfahren der Kriegsgeneration.
Um sowohl die Erhebungen in der Landschaft und die historische Forschung, als auch die Wirkung und die Folgen dieser „dunkle Zeit“ Sextens auf folgende Generationen für Einheimische, Besucher und Besucherinnen sowie Touristen zeitgemäß zu vermitteln, sind eine Ausstellung samt Tagung, verschiedene Medienprodukte, Lern- und Austauschformate für Jugendliche und die Schule sowie künstlerische Interventionen geplant. Zum UNESCO Welt-Naturerbe Dolomiten gehören ebenso die Kriegsschauplätze des Ersten Weltkrieges und seine Folgen im 20. Jahrhundert, die Militarisierung der Landschaft und die Erinnerungskulturen.
Die Leitung des Projektes liegt bei der Direktorin der Plattform Kulturerbe und Kulturproduktion Waltraud Kofler Engl, gemeinsam mit Prof. Susanne Elsen, Prof. Stephan Schmidt-Wulffen und Prof. Andrea Di Michele in Zusammenarbeit mit Sigrid Wisthaler und anderen Mitgliedern vom Verein Bellum Aquilarum, dem Kriegsmuseum in Rovereto, der Österreichischen Gesellschaft für Festungsforschung (Reinfried Vergeiner), dem Arc-team (Rupert Gietl), dem Ethnologischen Verein Südtirol (EVVA) und dem Tourismusverein Sexten.
Am 26. Juni 2021 um 20 Uhr wird das Forschungsprojekt im Haus Sexten in Sexten der Bevölkerung und Interessierten vorgestellt. Gleichzeitig geht ein Aufruf an die Nachfahren der Kriegsgeneration sich zu melden um über ihre Erfahrungen mit den Kriegserinnerungen und der Wahrnehmungen der Zeit der Evakuierung, des Wiederaufbaus und der Nachkriegszeit zu berichten.