Von: mk
Brixen – Die diesjährige Februartagung der Diözese Bozen-Brixen beschäftigte sich gestern in Brixen mit der Seelsorge mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Don Stefani Buttinoni (Erzdiözese Mailand) sagte, es gelte den Blick auf den Menschen zu lenken, der in der Beeinträchtigung lebt und nicht bei der Beeinträchtigung stehen zu bleiben. So sei ein echtes Kennenlernen möglich. Dem Kennenlernen folge das Akzeptieren und meint, den anderen bedingungslos anzunehmen. Die Bozner Bildungswissenschaftlerin Vanessa Macchia ging auf den Begriff der Inklusion aus didaktischer Perspektive ein. Sie sagte, dass Inklusion nicht nur (architektonische) Barrieren zu überwinden versuche, sondern auch die Ausgrenzung.
Bei der Februartagung referierten Don Stefano Buttinoni aus Mailand und die Professorin für Erziehungswissenschaften an der Uni Bozen, Vanessa Macchia, über eine Pastoral, die den Wert der Verwundbarkeit (neu) entdeckt und darin Gottes Anblick (neu) schätzen lernt.
Buttinoni: Das Anderssein des Anderen offenbart die eigene Verwundbarkeit
In seinem Referat ging Don Stefani Buttinoni, Caritas-Beauftragter in der Diözese Mailand, auf bestimmte Haltungen ein im Umgang mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Diese seien entscheidend und ausschlaggebend, um überhaupt diese Menschen wahrzunehmen und wirklich zu sehen. Denn oft bleibe der Blick bei der Behinderung stehen, ohne bis zum Menschen vorzudringen. Oft werden Menschen mit besonderen Bedürfnissen mit Etiketten versehen, die ihre Beeinträchtigung benennen. Don Stefano lud ein, den Blick auf den Menschen zu lenken, der in dieser Beeinträchtigung lebt und nicht bei der Beeinträchtigung stehen zu bleiben. Das erfordere allerdings eine Kenntnis, ein Kennenlernen wollen der Person, die sich nicht auf die Auseinandersetzung mit ihrer Beeinträchtigung beschränken kann. Das gelte erst recht für Christinnen und Christen: Erst wenn sie lernen, diese Menschen mit den Augen Gottes zu sehen, erst dann sei ein echtes, wertschätzendes Kennenlernen möglich, denn dann öffnen sie sich für den anderen Menschen, der anders ist und anders bleibt, mit seinen Bedürfnissen. Dem Kennenlernen folge das Akzeptieren. Das heiße, den anderen so bedingungslos anzunehmen, Akzeptanz heißt vor allem das Anderssein des anderen zulassen und aushalten, ohne Wenn und Aber. Unsere Welt sei vielfach durch Normen geprägt wie Schönheit oder Intelligenz. Alles was davon abweicht ist anders und das mache auch Angst, weil es die Normen und letztlich auch den Menschen in Frage stellt. Das Anderssein des Anderen offenbare letztlich die eigene Verwundbarkeit. In die Verwundbarkeit des Menschen hinein spreche aber Gott. Jesus selber ist zuerst zu den verwundeten Menschen gegangen, ihnen galt seine besondere Zuneigung.
Macchia: Inklusion hat die soziale Gerechtigkeit im Blick
Die Bozner Bildungswissenschaftlerin Vanessa Macchia ging in ihrem Vortrag auf den Begriff der Inklusion aus didaktischer Perspektive ein. Inklusion sei ein grundlegendes Menschenrecht, das Vielfalt zulasse. Inklusion fordert die Menschen heraus und erfordert von ihnen sowie von den Institutionen, dass sie sich an die individuellen Bedürfnisse anpassen. Das beginne bei den architektonischen Barrieren, und setze sich bei den Vorbehalten gar Vorurteilen der Menschen fort. Inklusion versucht nicht nur Barrieren zu überwinden, sondern auch Ausgrenzung. Erst dann seien auch Teilhabe, Partizipation möglich. Inklusion bleibt aber nicht bei den verschiedenen Bedürfnissen stehen, sondern sie hat die soziale Gerechtigkeit im Blick. Inklusion ist ein Prozess, eine Bewegung, in der wir uns stets weiterentwickeln, als Mensch, als Gesellschaft und auch als Kirche.
Geteilte Lebenserfahrungen
Mütter, Väter und Geschwister von Menschen mit besonderen Bedürfnissen gaben zwischen den beiden Vorträgen ein bewegendes Zeugnis von ihren Lebenserfahrungen: der Alltag mit Menschen mi Beeinträchtigung sei und bleibe eine Herausforderung auf allen Ebenen. Dennoch überwiege das Gefühl, von diesen Menschen bereichert zu werden. Denn jeder Mensch verkörpere auf seine je eigene Weise das Antlitz Gottes, der jeden Menschen bedingungslos liebt.