Von: apa
Mit seinen Bildern hat er die Popkultur der vergangenen 40 Jahre geprägt: Der niederländische Fotograf und Filmemacher Anton Corbijn ist bekannt für Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Bands wie Depeche Mode oder U2. Gleichzeitig lässt er sich keineswegs auf ein Genre beschränken, wie sich in der Ausstellung “Favourite Darkness” zeigt: Im Kunstforum Wien, das nach dem Rückzug des Hauptsponsors eine Übergangsfrist verhandeln konnte, lässt sich eintauchen in eine Welt des Imperfekten.
“Ich mag menschliche Fehler”
Denn trotz seiner ikonenhaften Darstellungen von Stars wie David Bowie, Miles Davis oder Bono ist Corbijn besonders am Zufall interessiert. “Ich mag menschliche Fehler”, meinte er bei der Presseführung am Freitag. “Ich mag es, wenn meine Arbeit nicht perfekt ist.” Das sei auch der Grund, warum er die zuletzt so rasante technologische Entwicklung eher nur am Rande verfolge. “Ich weiß sehr wenig über künstliche Intelligenz”, schmunzelte er. “Vielleicht schaue ich mir das in Zukunft mal genauer an. Aber derzeit bin ich einfach daran interessiert, Bilder mit meinen Kameras zu erzeugen.” Schließlich sei die Menschheit alles andere als perfekt. “Vielleicht können sich auch deshalb so viele mit meinen Arbeiten identifizieren.”
Und das schon eine lange Zeit: Ende der 70er-Jahre ging der Sohn eines Pastors nach London, um näher am Musikgeschehen jener Zeit zu sein. Mit seiner Kamera “verschaffte er sich Zutritt”, beschrieb es Kuratorin Lisa Ortner-Kreil. Und zwar mit Erfolg: Von 1980 bis 1985 war Corbijn Cheffotograf des renommierten “New Musical Express”. In jener Zeit entstanden Aufnahmen wie ein intimes Porträt von Captain Beefheart, das den exzentrischen Singer-Songwriter und Autor in verletzlicher Pose in der Mojave-Wüste zeigt, oder jene von Miles Davis mit großen Augen und Händen vor dem Gesicht, das wohl zu den bekanntesten Bildern der Jazzlegende zählt.
Kunstgeschichte und Ikonografie
Dieser Phase ist ebenso ein eigener Raum im Kunstforum gewidmet wie der besonderen Beziehung Corbijns zu Depeche Mode: Seine Zusammenarbeit mit der britischen Popband umfasst mittlerweile mehrere Jahrzehnte und reicht von den markanten Bildern von Dave Gahan und Co bis zu Albumcovern, Bühnendesigns und Livefilmen sowie Musikvideos. Klar zu erkennen sind außerdem Corbijns Referenzen an die Kunstgeschichte und christliche Ikonografie, wenn etwa Courtney Love an Botticellis “Geburt der Venus” erinnert oder Bowie wie ein melancholischer Messias erscheint. Nicht zu vergessen Corbijns filmisches Schaffen, das sich mit mehreren Screenings bis Juni im Gartenbaukino (wieder) entdecken lässt.
Ihr sei es darum gegangen, den Künstler abseits von Prominenz und Celebrity-Auflauf zu zeigen, betonte Ortner-Kreil. Der Plan war, “sein Gesamtwerk zu analysieren”, also weniger auf die Frage einzugehen, wen Corbijn fotografiert hat, als vielmehr seinen Blick und seine Technik vor den Vorhang zu holen. In Bezug auf den französischen Philosophen Roland Barthes lasse sich sagen, dass Corbijn die “richtigen Bilder” gemacht hat, dabei aber stets “bescheiden und uneitel” geblieben ist. Das werde auch bei einem eingangs positionierten Selbstporträt deutlich, auf das der Künstler seinen Vornamen in großen Lettern gepinselt und danach wieder durchgestrichen hat. “Kontinuum und Zeitlosigkeit sind die Qualitätsmerkmale seiner Arbeit.”
Ein Gesamtwerk in sieben Kapiteln
Die insgesamt sieben Kapitel umfassen weiters ausgewählte Musikvideos – etwa von Nirvana oder Coldplay -, aber auch Corbijns Beschäftigung mit bildender Kunst, hat er doch große Maler wie Gerhard Richter in deren Ateliers eingefangen. Ein Bruch mit den vielfach männlichen Sujets stellt der Raum “Weibliche Freiheit und männlicher Blick” dar, in dem Ortner-Kreil Fotografien von Größen wie Marianne Faithfull, Kate Bush oder Jodie Foster versammelt hat. “Er wurde im Fotografieren der Stars selbst ein Star”, streut auch Kunstforum-Direktorin Ingried Brugger dem im Mai seinen 70. Geburtstag feiernden Künstler Rosen. Bei ihm gehe es um “eine Ästhetik, die mit unglaublicher Sensibilität den Abgebildeten folgt”.
In jedem Fall dürfte die Ausstellung ein Gewinn für ihr Haus sein nach den turbulenten Wochen und Monaten, in denen die Bank Austria ihren Rückzug als Hauptsponsor bekanntgegeben hat. Dank einer Übergangsfrist sei das Programm für das laufende Jahr gesichert. Und auch darüber hinaus zeigte sich Brugger ebenso zuversichtlich wie kämpferisch: “Ich bin überzeugt, dass wir eine Zukunft haben werden.”
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