Von: mk
Bozen – In Südtirol, im übrigen Italien, in vielen Ländern Europas, im mittleren Osten, in Sri Lanka, Japan, im Tibet oder in Mynmar: Pilgerwege sind tief in den Weltreligionen verankert und in vielen Ländern vorhanden. Wie die beginnende Fastenzeit zum Innehalten einlädt, so ist das Pilgern eine Möglichkeit, sich zu sammeln, zu regenerieren und neue Ziele zu stecken. Viele Pilgernde wünschen sich dabei Begleitung. Um diesem Wunsch gerecht zu werden, organisieren die Sozialgenossenschaft „Zentrum Tau“ und Südtirols Katholische Männerbewegung einen dreiteiligen Lehrgang zur Pilgerbegleitung, der am 25. April startet. Einschreibungen sind bis Ostern möglich unter info@zentrum-tau.it.
Das Pilgern hat eine lange Tradition und erfreut sich auch in unserem Land zunehmender Beliebtheit. Viele Menschen haben das Pilgern zum Fixpunkt in ihrem Jahreskreis gemacht und nutzen es, um sich zu sammeln und neu zu finden. Hinter den vielen Jakobs-, Besinnungs- und Pilgerwegen in Südtirol stehen tatkräftige Menschen, die mit Überzeugung und Einsatz neue Pilgerwege entwickeln, sie pflegen, markieren, Beherbergungsstätten entlang der Wege ausfindig machen und Öffentlichkeitsarbeit betreiben.
Zu diesen engagierten Menschen gehört der 63-jährige Hans Steger aus Mühlen in Taufers, der lange im Vorstand der Katholischen Männerbewegung mitgearbeitet hat und Pilgerwege über den Krimmler Tauern, übers Ahrntal zur Chemnitzer- und Edelraut-Hütte bis nach Niedervintl konzipiert und beschildert hat. Der frühere Dekan Leo Munter hat Hans Steger vor mehr als 30 Jahren mit der Idee der Besinnungswege vertraut gemacht. Seither ist die Motivation des pensionierten Verkäufers ständig gewachsen. Vor allem in den vergangenen zwei Jahren hat er viel Zeit in die Jakobswege investiert. Er betreut unter anderem den Besinnungsweg in Heilig Geist im Ahrntal, macht Führungen, pflegt die Wege. Mit anderen engagierten Menschen der Südtiroler Pilgergemeinschaft ist er dabei, einen Pilgerstempel zu etablieren. Er ist im Alpenverein als Wanderleiter aktiv, war auf vielen Pilgerwegen in Italien – unter anderem auf der Francigena oder auf dem Franzikusweg – unterwegs, war Teil der zehnstündigen Glockner Wallfahrt in Salzburg mit bis zu 6.000 Pilgernden, ist den oberösterreichischen Johannesweg und den süddeutschen St. Rupert-Weg gegangen, pilgert manchmal alleine und gern auch in Begleitung. Umso mehr freut er sich über den neuen Lehrgang zur/zum Pilgerbegleiter:in, den die Sozialgenossenschaft „Zentrum Tau“ in Zusammenarbeit mit der Katholischen Männerbewegung entwickelt hat.
Dietlinde Perathoner ist die Geschäftsführerin des „Zentrum Tau“ mit Sitz in Eppan: „Wir unterstützen und fördern alles, was dem Menschen und der Gesellschaft für eine nachhaltige Entwicklung gut tut“, sagt sie. Pilgern sei die älteste und gleichzeitig auch natürlichste Bewegungsform des Menschen. Alle Kulturen auf dem Erdball seien seit jeher gepilgert. „Unsere frenetische und konsumorientierte Zeit hat das Pilgern in den vergangenen Jahrzehnten mitsamt seinen wohltuenden Auswirkungen leider in den Hintergrund gedrängt“, bedauert sie. Mit dem für Südtirol neuen Lehrgang zum/zur „Pilgerbegleiter:in“ soll diese heilsame Tätigkeit wiederbelebt werden. Das Pilgern soll künftig auch als zusätzliches niederschwelliges Angebot im Tourismus Platz finden.
Heiner Nicolussi-Leck (im Bild) ist Verwaltungsratsmitglied im „Zentrum Tau“. Er hat den Lehrgang initiiert: „Pilgern nützt der persönlichen Entwicklung“, sagt der begeisterte fast 80-jährige Pilger. Pilgern sei Bewegung für Körper, Seele und Geist und ein Weg zu sich selbst. Interessierte Menschen bräuchten oft einen Anstoß, ein passendes Angebot und Begleitung. Daher seien ausgebildete Pilgerbegleiter:innen wichtig.
Heiner Nicolussi-Leck pilgert seit den 1990-er Jahren und empfindet Pilgern als Auszeit vom Alltag: „Pilgern bedeutet, gegenwärtig und bei mir zu sein, Natur und Menschen zu begegnen, mich anzustrengen, mich meinen Lebensfragen zu stellen.“ Heiner Nicolussi-Leck war schon auf vielen Wegen unterwegs, beispielsweise in Südtirol, im übrigen Italien, in Österreich, Schweiz, Frankreich, Spanien, Slowenien, Kroatien, Portugal und im Heiligen Land. Dabei hat er auch viele Gruppen begleitet. Es gebe überall lohnende, kürzere und längere Pilgerwege.
Wer Pilgernde begleitet, hat verschiedene Tätigkeiten und Aufgaben zu bewältigen. Das geht von der Vorbereitung und Ausarbeitung des Pilgerangebotes über die Ablauf- und Unterkunftsorganisation bis hin zur konkreten Wegbegleitung und spirituellen Begleitung. „Der Weg macht etwas mit dem Pilger und der Pilgerin“, sagt Heiner Nicolussi-Leck. Pilgern tue gut und verändere die Menschen. Der Südtiroler Jakobsweg, der von Winnebach nach Neustift und von dort entweder zum Brenner und nach Innsbruck führt oder über Bozen, Meran nach Marienberg und Müstair), solle Südtiroler:innen wie Gäste mit dem Pilgern anfreunden und Lust auf mehr und öfter machen. Dazu sind Pilgerbegleiter:innen gute Promotor:innen. Pilgerbegleitung kann und soll den Pilgerprozess fördern. Dafür braucht es Grundwissen und Übung. Pilgern, sagt Heiner Nicolussi-Leck, habe nicht zuletzt auch eine religiöse Dimension, gewollt oder nicht. „Beim Gehen kommen Lebensfragen hoch und verlangen nach Antworten.“ Diese Sinnsuche zu unterstützen sei wichtige Aufgabe der Pilgerbegleitung. Die Ausbildung richtet sich nach christlichen Grundsätzen aus.
Die künftigen Pilgerbegleiterinnen und -begleiter werden einen wichtigen Beitrag leisten, um das Pilgern in Südtirol für Jung und Alt wieder zur „Kultsache“ zu machen, sind Heiner Nicolussi-Leck, Dietlinde Perathoner und Hans Steger überzeugt. Das Begleiten von Menschen auf dem Weg zu sich selbst sei nicht nur eine schöne, sondern vor allem eine sinnvolle Tätigkeit. Die Natur biete alles, was dazu gebraucht wird.
Weitere Informationen erteilt das Zentrum Tau in der Pillhofstraße 37 in Eppan unter Tel. +39 0471 964178 und per Mail unter info@zentrum-tau.it.