Von: apa
2022 wurde er mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet, nun betreibt der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan im Militärdienst ein Frontradio in Charkiw. Welche Zäsur der russische Angriffskrieg auch für sein Schreiben bedeutete, ist in dem soeben erschienenen Gedichtband “Chronik des eigenen Atems. 50 und 1 Gedicht” nachzulesen. Begonnen hatte er mit der Arbeit an dem Band im März 2021, ein Jahr später hat er seine Sprache verloren, wie er im Nachwort des bei Suhrkamp erschienenen Bandes schreibt. “In der Mitte bricht das Buch. Dieser Bruch liegt auf der Hand, er war unvermeidlich”, schreibt Zhadan über den Tag des Überfalls auf die Ukraine.
“Nach dem 24. Februar klingt Poesie irgendwie unangebracht.” Doch allmählich kam die Sprache zurück, der zweite Teil des Bandes umfasst Gedichte ab dem 15. Juni 2022. Die Datierung der Gedichte verleiht dem Buch tatsächlich den Anschein einer Chronik, in der sich Zhadan immer wieder mit der Sprache selbst auseinandersetzt, in der die große Katastrophe bisweilen vorauseilend mitzuschwingen scheint. “Es ist Zeit, neue Gedichte zu schreiben: / bei den alten Gedichten weint keiner mehr”, heißt es etwa gleich im ersten Gedicht, oder später im Jahr: “Eine Zeit, die alles aussticht, / bedrohliches Klingen der Kühnheit.”
Auch im zweiten Teil finden sich die zu Beginn aufgenommenen Betrachtungen vom Wechsel der Jahreszeiten wieder, das Nachdenken über Sprache, das Schreiben über Liebe. Doch der Ton hat sich verändert, die Gedichte werden tastender, als würden sie sich selbst nicht trauen. Ihr Schöpfer hat immerhin einen ersten Schritt gemacht: “Es kommt der Moment, in dem du dich traust, / dich losreißt von dem Ort, dich löst aus der Stille, die dich umringt und bedrängt.” (Serhij Zhadan: “Chronik des eigenen Atems. 50 und 1 Gedicht”, Edition Suhrkamp, 124 Seiten, 20,95 Euro, ISBN 978-3-518-12840-4)
Zwischen den Welten: “eure stimmen eure sprachen” von Lorena Pichler
Vor einem Jahr erhielt die 1994 in Südtirol geborene Autorin Lorena Pichler den Exil-Literaturpreis, mit dem Autorinnen und Autoren ausgezeichnet werden, die aus einer anderen Erstsprache kommen und in deutscher Sprache schreiben. Nun ist mit “eure stimmen eure sprachen” ihr erster Lyrikband (Edition Exil) erschienen. Die ohne Interpunktion auskommenden Gedichte erzählen “vom Fortgehen und von Rückkehr, von individuellem und kollektivem Gedächtnis, von den Sprachen der Großeltern, von einer Kindheit am Land”, heißt es seitens des Verlags. Dabei fließen Auseinandersetzungen mit historischen Ereignissen und zwischenmenschlichen Beziehungen ineinander und zeigen Zwischenräume auf, in deren Mittelpunkt immer wieder die Sprache selbst steht. Da geht es um “die sprachen die gegenläufig eine werden”, um eine Sprache, an der am Anfang “ungewohnt … gekaut” wird”, “wie an fremdartigem essen”. (Lorena Pichler: “eure stimmen eure sprachen”, Edition Exil, 152 Seiten, 14,50 Euro, ISBN 978-3-901899-96-6)
Gesellschaft der Lyrikfreunde lädt zur Lesung
Seit 1980 gibt es die “Gesellschaft der Lyrikfreunde”, die “das Interesse, das Verständnis und die Freude an guter Lyrik in breiten Bevölkerungsschichten wecken und fördern” möchte, wie es in ihren Satzungen heißt. Teil der praktischen Bemühungen der Salzburger Sektion, diesem Ziel gerecht zu werden, ist die jährliche Ausrichtung einer Adventlesung. Kommenden Dienstag (17.12., 19 Uhr) ist es im Literaturhaus Salzburg wieder soweit. Bei freiem Eintritt lesen Sonja Dworzak, Wolfgang Fels, Elisabeth Graf, Renate Katzer, Eva Kraft, Ingeborg Kraschl, Valerie Pichler, Wolfgang Pullmann und Georg Weigl. Gitarrist Peter Kollowrat liefert musikalische Intermezzi. (https://www.literaturhaus-salzburg.at)
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