Von: Ivd
Bozen – Am 11. Juni um 20.00 Uhr beendet das von Michele Mariotti dirigierte Haydn Orchester im Stadttheater Bozen mit Gustav Mahlers fünfte Sinfonie die Saison 2023/2024. Das Konzert wird von Radio RAI 3 live übertragen und am 12. Juni in Trient (Auditorium, 20.30 Uhr) wiederholt. Gemeinsam mit Michele Mariotti hat der künstlerische Leiter des Haydn Orchesters Giorgio Battistelli Battistelli in Zusammenarbeit mit den beiden Konservatorien in Bozen und Trient ein mehrjähriges Projekt entwickelt, das Studierenden die Möglichkeit gibt, mit dem Orchester live zu spielen. Die Teilnahme der Studenten an der Aufführung der legendären Mahler-Sinfonie belegt die Synergie zwischen den musikalischen Institutionen in der Region
„Sein Haupt war an der Lehne des Stuhls langsam der Bewegung des draußen Schreitenden gefolgt; nun hob es sich, gleichsam dem Blicke entgegen, und sank auf die Brust, so dass seine Augen von unten sahen, indes sein Antlitz den schlaffen, innig versunkenen Ausdruck tiefen Schlummers zeigte“ – Cineasten verbinden die Schlussszene aus Luchino Viscontis Film „Der Tod in Venedig“ nach der gleichnamigen Novelle von Thomas Mann mit dem Adagietto aus der fünften Sinfonie, das angesichts eines Sonnenuntergangs vor dem Lido zum letzten Mal erklingt. Laut den Erinnerungen von Erika Mann habe ihr Vater nach einer Begegnung mit dem Komponisten das erste Mal das Gefühl gehabt „einem wirklich großen Manne begegnet zu sein“. Es ist deshalb kein Zufall, dass Manns „Held der Schwäche“ Gustav Aschenbach im Vornamen und bei der Wahl des Lebensalters Mahlers Maske trägt. Dabei hat die Fin-de-Siècle-Stimmung aus dem Film nichts mit der lebensbejahenden Musik zu tun. 1901 schickt Mahler die Noten des Adagietto als Liebesbotschaft aus der Sommerfrische in Maiernigg am Wörthersee an Alma Schinder. Im März 1902 heiratet Mahler die umworbene Frau, im August liegt die erste Fassung der fünften Sinfonie vor, an der er bis zu seinem Tod feilt.
2022 diente die Sinfonie als Leitmotiv in dem Film „Tár” von Todd Field mit Cate Blanchette in der Rolle einer Dirigentin. „Leben und Tod sind nicht nur untrennbar miteinander verbunden, sie sind die einzigen Gewissheiten unserer Existenz. Hier gibt es nicht nur Schrecken und Verzweiflung: In Mahlers Meisterwerk ist Platz für eine träumerische Hingabe an die Nostalgie der Erinnerungen und eine ungezügelte und kühne Lebensfreude”, erklärt Michele Mariotti.
Michele Mariotti wurde in Pesaro geboren und studierte am Konservatorium seiner Heimatstadt sowie an der Accademia Musicale Pescarese. Von 2008 bis 2014 war er Chefdirigent und von 2015 bis 2018 Generalmusikdirektor am Teatro Comunale in Bologna. Gastengagements führten ihn – unter anderem – an die Nationale Opera Amsterdam, die Metropolitan Opera in New York, das Royal Opera House Covent Garden in London und die Deutsche Oper Berlin sowie zu den Salzburger Festspielen. Er leitete international angesehene Klangkörper wie das Gewandhausorchester Leipzig und das Orchestre National de France. Seit 2022 ist Michele Mariotti Chefdirigent am Teatro dell’Opera di Roma. Mit dem Haydn Orchester arbeitet Mariotti seit vielen eng und erfolgreich zusammen.