Von: bba
Lichtenstern – Heute wird in der Diözese Bozen-Brixen das liturgische Gedenken an Josef Mayr-Nusser begangen. Bis 2017 waren die Gebeine von Josef Mayr-Nusser in der Kirche von Lichtenstern bestattet. Der Präsident des Hauses der Familie Heiner Oberrauch lud heute Früh engagierte Menschen aus Südtirols Soziallandschaft und des Sanitätsbetriebs zu einer Gedenkviertelstunde in die Waldkirche von Lichtenstern ein: „Lasst uns aus Überzeugung
nicht den leichten Weg gehen“, forderte er die drei Dutzend Teilnehmenden auf.
Heiner Oberrauch betonte, dass das Gesundheits- und Sozialsystem ohne die vielen engagierten Menschen im heurigen Corona-Frühjahr und Sommer zusammengebrochen wäre. Er verwies auf die vielen alltäglichen Dinge, die den gesellschaftlichen Kitt ausmachten, nannte Einkäufe für ältere Menschen, Anrufe bei alleinlebenden Nachbarn, freiwilliges und hauptamtliches in systemrelevanten Organisationen und Berufen. Er nannte auch VerantwortungsträgerInnen in Pflegeheimen, Krankenhäusern und Politik. Da seien schwerwiegende Entscheidungen zu treffen gewesen, ohne die Folgen absehen zu können. „Corona ließ keine Prognosen zu“, sagte der Präsident des Hauses der Familie und bezeichnete die Anwesenden der Feierstunde als Felsen in der Corona-Brandung. Das fragile gesellschaftliche Gefüge wäre heuer ohne die vielen wagemutigen Menschen zusammengebrochen, betonte Heiner Oberrauch.
Toni Fiung, Südtirols Familienseelsorger, ist geistlicher Rektor im Haus der Familie und leitete die heutige Gedenkfeier. Josef Mayr-Nusser habe die Zeichen der Zeit erkannt und danach gehandelt, sagte er: „Er stellte sich gegen den Mainstream, obwohl er ahnte, dass ihn seine Eidesverweigerung das Leben kosten würde.“ Und doch sei er seinen Weg konsequent gegangen. Der Seliggesprochene habe den Mut aufgebracht, die Stimme gegen das nationalsozialistische und rassistische Gedankengut zu erheben. ‚Zeugnis geben ist heute unsere einzige, schlagfertigste Waffe’, hat Josef Mayr-Nusser 1938 geschrieben. „Seien wir im Jahr 2020 auch mutig, uns vor Schwächere zu stellen“, plädierte Toni Fiung. In Krisensituationen brauche es visionäre und tatkräftige Menschen, die Wege gehen, die noch keiner gegangen ist, die Verantwortung übernehmen, obwohl sie die Auswirkungen nicht kennen, unterstrich Toni Fiung. Die TeilnehmerInnen der Gedenkfeier frühstückten anschließend im Haus der Familie gemeinsam und tauschten sich über die großen Herausforderungen, die Corona mit sich bringt, aus.
Zur Person Josef Mayr-Nusser
Josef Mayr wurde am 27. Dezember 1910 auf dem Nusserhof am Bozner Boden geboren. Nach dem Abschluss der Handelsschule wurde er kaufmännischer Angestellter in Bozen. Bei der Option 1939 entschloss sich Josef Mayr, entgegen der Mehrheit der SüdtirolerInnen, in der Heimat zu bleiben. Am 26. Mai 1942 heiratete er Hildegard Straub. Ein gutes Jahr später kam Sohn Albert zur Welt. Josef Mayr trat unter anderem der Bozner Vinzenzkonferenz bei und lebte so sein Christsein im Alltag. 1944 wurde er zur SS einberufen. Einen Tag vor der Eidesleistung erklärte Josef Mayr, dass er den Eid auf Hitler aus Gewissensgründen nicht leisten könne. Er wurde in Danzig wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tod verurteilt und sollte in Dachau erschossen werden. Auf dem Weg dorthin ist Josef Mayr am 24. Februar 1945 in Erlangen in einem Viehwaggon seinen Strapazen erlegen. Am 1. März 1945 wurde er in Erlangen begraben. Im Februar 1958 wurden seine Gebeine nach Südtirol überführt und in der Kirche von Lichtenstern beigesetzt. Am 18. März 2017 wurde Josef Mayr-Nusser im Bozner Dom selig gesprochen. Seine sterblichen Überreste sind seither im dortigen Märtyreraltar bestattet. Bischof Ivo Muser hat den 3. Oktober zum liturgischen Gedenktag an Josef Mayr-Nusser bestimmt: Das ist der Vortag jenes Tages, an dem sich Mayr-Nusser (im Jahr 1944) geweigert hat, aus religiösen Gründen den Treueeid auf das nationalsozialistische Regime zu schwören.