Dirigent Diego Ceretta und das Haydn Orchester spielen in Bozen

Mythen und Musik

Mittwoch, 15. Januar 2025 | 12:57 Uhr

Von: mk

Bozen – Am 21. Januar um 20.00 Uhr steht der italienische Dirigent Diego Ceretta im Konzerthaus Bozen am Pult des Haydn Orchesters. Auf dem Programm stehen drei Werke, die unterschiedliche Mythen musikalisch verarbeiten: „La Source d’Yggdrasil“ der jungen französischen Komponistin Camille Pépin in einer italienischen Erstaufführung, die „Drei Sinfonischen Präludien“ von Ildebrando Pizzetti und die 4. „schottische“ Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Konzert in Bozen wird live im Hörfunkprogramm von RAI Radio 3 übertragen.

In ihrem 2018 entstandenen Stück „La Source d’Yggdrasil“ setzt sich die 33jährige französische Komponistin Camille Pépin mit der „Weltenesche“ (Yggdrasil) in der nordischen Mythologie auseinander, die den Himmel stützt: Die Welt dehnt sich nur so weit aus, wie die Zweige und Wurzeln dieser Weltachse reichen und existiert nur so lange, wie der Baum – als Sinnbild der Schöpfung – lebt und seine Quelle nicht versiegt. In Theben sucht König Ödipus nach einem Mörder und findet sich selbst. In der bekanntesten aller griechischen Tragödien, die wie eine Kriminalgeschichte konstruiert ist, vollzieht Sophokles die langsame Entblößung und Vernichtung des Herrschers, der seinen Vater, den er nicht kannte, erschlug und die Mutter unwillentlich und unwissentlich heiratet. 1903, im Alter von 23 Jahren, komponiert Ildebrando Pizzetti drei Intermezzi zu diesem antiken Enthüllungsdrama für eine Theateraufführung am Teatro Olimpia in Mailand und verarbeitet die Musik später zu einem sinfonischen Triptychon.

Mit seiner dritten Sinfonie betritt Felix Mendelssohn Bartholdy ein „mythisches“ Land: Nach einer Konzertreise nach London reist er im Sommer 1829 nach Schottland, dass in dieser Zeit alle „romantischen“ Mitteleuropäer magisch anzieht. Er besucht auch Holyrood Palace bei Edinburgh – und um dieses Schloss kreisen blutige Schauergeschichten: Im 16. Jahrhundert residiert dort die schottische Königin Maria Stuart, die Elisabeth I zum Tode verurteilen wird. Ihr Ehemann Henry Stuart, Lord Darnley, lässt Marias Geliebten David Rizzio 1566 in deren Gemächern erdolchen und wird später im Auftrag schottischer Lords selbst erdrosselt. In der der Schlosskapelle „ist alles zerbrochen, morsch, und der heitre Himmel scheint hinein. Ich glaube, ich habe heut da den Anfang meiner schottischen Symphonie gefunden”, berichtet Mendelssohn. Nach seiner Rückkehr entzieht sich die „schottische“ Musik allerdings seinem Zugriff, „je näher ich ihr kommen möchte“. Erst im März 1842 wird das Werk im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt. Auf dem europäischen Festland fehlen offenbar die schottischen Gegebenheiten: der Regen, der Wind, die Gewitter, der Nebel und das höfische Trauerspiel.

Diego Ceretta weist auf die Gemeinsamkeiten der drei Werke hin: „Alle drei Stücke beziehen sich auf den Mythos, aber in sehr unterschiedlicher Art und Weise. Anders als in den beiden jüngeren Kompositionen, die entweder von der nordischen Mythologie oder der griechischen Literatur beeinflusst werden, ist die Landschaft bei Mendelssohn sehr präsent. Trotzdem scheinen die drei Werke von einer Aura des Geheimnisses umgeben zu sein und drücken damit etwas Ungreifbares aus. Die „schottische“ Sinfonie durchtränkt eine sehr unkörperliche Atmosphäre, während das Stück von Camille Pépin im Hintergrund ein dauerhaftes Pulsieren aufweist, das für jene Lymphe steht, die aus dem Baum des Lebens fließt. Bei Pizzetti umgibt die Atmosphäre eine gewisse Starrheit, die den Aufbau der drei Präludien durchdringt, einschließlich des zweiten, das am stürmischsten zu sein scheint, aber am Ende keinen Ausweg findet und sich in dieser mystischen Aura verliert“. Die Musik transportiere mythologische Elemente aus mehreren Epochen bis in die Gegenwart. „Es handelt sich nicht um drei verschiedene Zeiträume, sondern um drei sehr unterschiedliche kulturelle Identitäten“, fährt Diego Ceretta fort. „Während Pepin großzügigen Gebrauch von jenem schwer greifbaren typisch französischen Sound macht, der sich auf die Qualität der Klangerzeugung stützt, finden wir bei Pizzetti einen konkreteren und mit dem italienischen Bel Canto verbunden Stil. Mendelssohn nutzt die hingegen die musikalische Form, um zur Botschaft und zu kompositionstechnischen Mitteln zu gelangen, vor allem zum Kontrapunkt durch den Einsatz von Fugen und Kanons, und zwar so sehr, dass diese Vorgangsweise zu seinem Markenzeichen wird. Trotz der unterschiedlichen Stile gelingt es den drei Komponisten die geheimnisvolle Atmosphäre bei der Suche nach dem Ungreifbaren in ihrer eigenen Klangwelt auszudrücken.“

Diego Ceretta ist seit 2003 der Chefdirigent des ORT- Orchestra della Toscana. Ceretta wurde 1996 geboren und schloss sein Studium am Conservatorio Verdi in Mailand in den Fächern Violine und Orchesterleitung mit Bestnoten ab. Im Dezember 2016 debütierte er mit dem Italienischen Philharmonischen Orchester. Sein New Yorker Debüt feierte er in der Carnegie Hall als Dirigent der Ecomusic Big Band mit einer Weltpremiere des Komponisten Girolamo Deraco. 2020 war der einzige Finalist des italienischen Wettbewerbs „Cantelli“ in Novara für junge Dirigenten und Dirigentinnen. Am Teatro dell’Opera in Rom war Diego Ceretta bei der Uraufführung von Giorgio Battistellis Oper „Julius Caesar“ Assistent von Daniele Gatti. Seitdem wurde er vor allem in Italien für viele Orchesterkonzerte und Opernaufführungen engagiert.

IINFORMATIONEN & TICKETS
www.haydn.it

Bezirk: Bozen

Kommentare

Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen