Von: apa
Eine neue “Zauberflöte” ist stets eine besondere Premiere für Opernhäuser, ist das Mozart-Stück doch bekanntlich eines der disparaten Werke des Repertoires, das stets große Herausforderungen an eine Deutung stellt. Der Wiener Staatsoper ist mit ihrer neuen “Zauberflöte” nun gelungen, ein ganzes Wunderhorn an Inspiration auszuschütten und dabei doch eine sehr solide, praktikable Inszenierung des Werks zur Debatte zu stellen. Ein umjubelter Abend für alle Beteiligten.
Regisseurin Horáková als Hausdebütantin
Dafür federführend verantwortlich ist die gebürtig aus Prag stammende Barbora Horáková, die ihre erste – und hoffentlich nicht letzte – Arbeit für die Staatsoper vorlegt. Ihr gelingt ein inspirierter Abend, der voller Einfälle steckt, ohne diese ostentativ um ihrer selbst willen auszustellen.
Alles beginnt mit den drei Knaben am Fahrrad und der verfallenen Villa aus Stephen Kings “Es”, Domizil des Horrorclowns Pennywise. Von hier aus nimmt das Grauen der Geschichte seinen Ausgang. Es wird nicht die einzige (Film-)Anspielung des Abends bleiben – ein unaufdringlicher und doch schlüssiger Referenzrahmen.
Mittels Leinwänden und dezenten Projektionen werden bisweilen im schnellen Schnitt Räume geschaffen und vergehen ebenso flüchtig wieder. Der Fokus der Aufmerksamkeit wird immer wieder geschickt durch sich bewegende Leinwände gelenkt, um unbeachtet an anderer Stelle Umbauten durchzuführen.
Textadaptierungen für das Jahr 2025
Doch nicht nur die äußere Anmutung kommt heutig daher, auch textlich ist man zumindest einen Schritt auf das Jahr 2025 zugegangen. So erweist sich die Textfassung von Isabella Gregor als sehr praktikabel, um zumindest einige der misogynen und rassistischen Sprechpassagen des 1791 uraufgeführten Werks dezent zu ersetzen. Sarastros Untergebener Monostatos ist etwa nicht mehr dunkelhäutig, entsprechend abwertende Verweise sind adaptiert. Er und seine Sklaven-Mannen werken im Kohlenkeller, womit auch das einst übliche Blackfacing vermieden wird.
Auch werden Frauen zumindest nicht durchgängig als der Weisheit unzugänglich bezeichnet, und der Altherrenclub Sarastros ist zwischen altdeutsch-eichenvertäfeltem Jagdverein und den Grauen Männern aus “Momo” angesiedelt. Das alles kommt aber keineswegs moralinsauer daher, sondern als schlicht stimmige Umschiffung vermeintlich unvermeidlicher Klippen, um die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu richten.
Spaß spielt mit
Der Spaß kommt dabei nicht zu kurz, wenn Pamina etwa in der Rolle als alte Frau mit einer habjanesken Puppe agiert, was tatsächlich für witzige Momente in einer ansonsten oftmals verkrampft humoristischen Szene sorgt. Papageno scheitert hingegen an der unüberwindlichen Hürde, als Mann einfach mal für eine Weile die Klappe zu halten. Dabei lässt der junge Bariton Ludwig Mittelhammer in der Vogelfängerpartie die Sau raus und den Alkohol rein. Einzig am hie und da bemüht eingestreuten Pseudo-Wienerisch stolpert der Deutsche bei seinem Hausdebüt gelegentlich.
Ebenso erstmals am Ring zu hören war der deutsche Tenor Julian Prégardien, der sein klares, metallenes, am Oratorium und Lied geschultes Timbre in der Partie des Tamino präsentierte, auch wenn in der Höhe hie und da die Luft dünn wurde. Ihm zur Seite lieferte Slávka Zámečníková ein sehr solides Rollendebüt als Pamina ab, während Serena Sáenz eine eher elegante denn furienhafte Königin der Nacht abgab. Und schließlich darf Altmeister Georg Zeppenfeld seinen Einstand als Crossdressingvariante der Widersacherin feiern, bevor er fortan im grauen Anzug dem Werk der Weisheit nachgeht – gewohnt tiefensicher.
De Billy lässt oft die Zügel los
Begleitet wird das Ganze im Graben von Bertrand de Billy, eingesprungen für den gesundheitlich immer noch angeschlagenen Franz Welser-Möst. Der 60-Jährige beginnt den Abend mächtig und gemächlich, lässt dann aber immer wieder die Zügel los, wechselt zwischen Abschattungen, Innehalten und der vollen Fahrt.
In den orchestralen Passagen ist das durchaus lohnend anzuhören, im Zusammenspiel mit den Sängern hakt es dafür bisweilen, enteilt der eine dem anderen doch immer wieder. Auch nimmt de Billy nur selten das Orchester genügend zurück bei Stimmen wie Mittelhammers Bariton, die im großen Haus in puncto Strahlkraft etwas getragen werden müssten. Alles in allem aber eine lässliche Sünde bei einer äußerst soliden “Zauberflöte”, die zweifelsohne das Potenzial hat, auf mehr Vorstellungen zu kommen als die Vorgängerinszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier, die es auf 51 Abende brachte.
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