Von: APA/dpa
Der Traum von der großen Liebe – und was davon übrig blieb: Bei den Bayreuther Festspielen hat eine düstere und weitgehend desillusionierte Version von Richard Wagners großer Liebesoper “Tristan und Isolde” Premiere gefeiert. Eine zutiefst menschliche Geschichte habe er zeigen wollen, hatte Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson gesagt. Intime Momente und große Bilder. Gelungen ist ihm das aber nach der Publikumsreaktion zu urteilen eher bedingt.
Für seine Inszenierung zur Festspiel-Eröffnung kassierte Arnarsson einige Buhs. Seine über weite Strecken sehr statische, dunkle Inszenierung rief beim Publikum nicht unbedingt Begeisterung hervor. Das lag womöglich daran, dass in den mehr als vier Stunden, die die Oper dauert, bei Arnarsson herzlich wenig passiert.
Im ersten Akt wickelt Camilla Nylund als Isolde sich aus einem überdimensionalen, mit Hiobsbotschaften wie “Betrug” beschrifteten Hochzeitskleid aus und wieder ein. Und Tristan (Österreichs Startenor Andreas Schager) verliebt sich in sie ganz ohne Liebestrank. Das Fläschchen schlägt sie ihm nämlich aus der Hand, bevor er daraus trinken kann. Der Isländer Arnarsson scheint zeigen zu wollen: Hier geht es also nicht um Magie, sondern einfach um zwei Menschen, die sich verlieben. “Im “Tristan” geht es um eine tiefmenschliche Problematik. Das ist bestimmt der menschlichste aller Wagner-Stoffe”, hatte er vor der Premiere gesagt.
So zeigt er das Paar im zweiten Akt auch nicht unbedingt im Clinch mit König Marke (gesungen vom österreichischen Bassbariton Günther Groissböck), der Isolde ja eigentlich zur Frau bekommen sollte, sondern vor allem mit sich selbst. Das Hochzeitskleid von einst – wohl als Sinnbild für alle Hoffnungen und romantischen Träume – ist längst zusammengeknüllt in einer Truhe in einem Lagerraum gelandet, vergraben zwischen Alltags- und Kunstgegenständen. Das Schiff, auf dem Isolde so hoffnungsvoll anreiste, ist nur noch ein Wrack. Ein zerbrochener Traum als Kulisse.
Im letzten Akt sind all die Alltagsgegenstände, all die Heldenfiguren nur noch Schrott, ein Scherbenhaufen. “Auf dem Scherbenhaufen der Hoffnungen liegt dann Tristan im Sterben”, sagte Arnarsson. In seiner Inszenierung ist es also nicht der eifersüchtige König, der die Liebe des Paares bedroht, sondern – wie so oft in menschlichen Beziehungen – ihr Kommunikationsproblem, das auch an den ihnen zugedachten gesellschaftlichen Rollen liegt.
Die Umsetzung aber bleibt problematisch. Denn über die durchaus beeindruckenden Bühnenbilder hinaus geschieht einfach zu wenig. Und das, was geschieht, ist auch noch schlecht zu sehen, weil alles – passend zur Grundstimmung der Inszenierung – so furchtbar düster ist.
Viel Applaus gibt es für den musikalischen Teil an diesem Abend. Es gibt ihn für Dirigent Semyon Bychkov, obwohl es ihm nicht immer gelingt, das Orchester so zu führen, dass es die Sänger tragen kann und sie nicht übertönt, und auch nicht zu leise ist. Es gibt ihn für Christa Mayer als Brangäne und Olafur Sigurdarson als Kurwenal, für Camilla Nylund als Isolde, etwas weniger für Günther Groissböck als König Marke – und am meisten für Andreas Schager als Tristan. Dabei ist Schager ein eher lauter als gefühlvoller Tristan, steckt viel – manchmal zu viel – Kraft in seine Stimme. Das harmoniert streckenweise nicht so gut mit der deutlich zarter auftretenden Nylund.
Insgesamt fallen die Publikumsreaktionen vergleichsweise kurz aus. Keine langen Jubelstürme – aber auch kein endloses Buh-Konzert wie beispielsweise zuletzt nach dem “Ring” von Valentin Schwarz. “Angst habe ich keine, auch nicht vor Buhs”, hatte Arnarsson vor der Premiere gesagt. “Das Schlimmste wäre für mich Gleichgültigkeit.” Nach dem Premierenabend wirkt es etwas so, als könne seine Befürchtung sich womöglich bewahrheiten. Anders sah das Festspielleiterin Katharina Wagner: Sie zeigte sich rundum zufrieden mit dem Start ihres weltberühmten Festivals in Bayreuth und sagte: “Wir durften einen wunderbaren Abend erleben.”
(Von Britta Schultejans/dpa)