Von: pf
Bozen – Es sind treffende Worte, die die Teilnehmerinnen und ein Teilnehmer des Erholungsseminares „Urlaub von der Pflege“ finden, wenn sie über ihren Alltag sprechen. Und sie berühren, weil klar ist: Diese 13 Personen und ihre Aussagen stehen für die Erfahrungen von über 11.000 Familien in Südtirol, in denen pflegebedürftige Angehörige zu Hause betreut werden.
Bereits zum neunten Mal organisiert der Katholische Familienverband Südtirol (KFS) die Erholungswoche im Haus der Familie in Lichtenstern. Die Entscheidung, sich für diese Zeit aus der Pflegesituation zu lösen, war für viele nicht einfach, wie die Pflegenden erzählen – egal, ob sie ihre Partner, Eltern oder auch ihre Kinder oder Enkel pflegen. „Ich wollte zuerst nicht kommen, konnte es mir einfach nicht vorstellen, einmal nicht bei meinem dementen Mann zu sein – wenn auch nur für fünf Tage“, erinnert sich Anna Geiser an ihr Zögern. „Mutti, du musst auch mal aussteigen“, rieten die Kinder von Elsa Prenn. Den Koffer zu packen und ins Haus der Familie zu kommen, war für sie keine leichte Entscheidung. Genauso für Waltraud Schöpf, doch ihr Enkel beschloss kurzerhand: „Oma, da melde ich dich an!“.
Zeit zum Ankommen
„Es braucht einige Zeit, bis man wirklich ankommt und sich auf die Woche einlassen kann“, weiß Meinrad Berger ganz nach dem Spruch, zuerst kommt der Körper an – dann erst die Seele. Berger pflegt seine demente Schwiegermutter und kennt die Sorgen, die man zunächst kaum abschütteln kann. Schaffen sie es wohl ohne mich? Wie geht es meiner Angehörigen, wenn ich jetzt nicht da bin? „Der Anruf daheim bestätigt jedoch: Ohne uns geht es eben auch“, wie Anna Wiedenhofer erzählt, die sich gemeinsam mit ihrer Schwester Notburga Wiedenhofer angemeldet hatte. „Aber Mama, dass du es auch ja genießt!“, mahnte ihre Tochter, die die Pflege des Vaters in diesen fünf Tagen übernommen hatte.
Doch nicht immer können Kinder oder andere Familienangehörige bei der Pflege einspringen. Dann sind Kurzzeitpflegebetten die einzige Alternative, aber wer nicht rechtzeitig – sprich Monate davor – darum ansucht, schaut durch die Finger. So ist es auch Annemarie Wieland ergangen. Zum zweiten Mal nimmt sie an „Urlaub von der Pflege“ teil. „Im vergangenen Jahr wäre ich auch gerne heraufgekommen, doch ich habe keinen Betreuungsplatz für meine Mutter gefunden“.
Frische Impulse
Begleitet wurden die „Urlauber von der Pflege“ von Hildegard Kreiter. Mit ihrer einfühlsamen aber bestimmten Art holte die Kneipp- und Gesundheitstrainerin die Pflegenden in die Woche hinein, zeigte Wissenswertes aus der Kräuter- und Heilkunde, plante Ausflüge und Wanderungen und schaffte eine Atmosphäre, die es leicht macht, sich auszutauschen und zu öffnen. Zu Gast war außerdem eine Singgruppe aus Perdonig mit Chorleiterin Johanna Veit zum gemeinsamen Singen. Brigitte Waldner, Amtsdirektorin im Amt für Senioren und Sozialsprengel ging sehr praxisnah und einfühlsam auf die Anliegen und Fragen der Teilnehmer ein – gerade auch auf die Problematiken rund um Pflegeeinstufung und Kurzzeitpflegebetten. Krankenschwester Birgit Stampfl brachte den Pflegenden die Aromatherapie nahe. Mit Familienseelsorger Toni Fiung wurden vor allem Strategien besprochen, wie auch im Alltag Zeit für sich selbst gefunden werden kann.
Neu gestärkt in die Pflege
„Es ist wichtig, auf das eigene Wohlbefinden nicht zu vergessen, denn Erschöpfung und Depression kommen schleichend“, erinnert sich Gertrud von Piristi. Theresia Tschager ist bei den Bäuerinnen aktiv. Nachdem ihr Sohn im Rollstuhl sitzt, hat sie sich dort Hilfe geholt und seither gibt es fixe Turnusse, in denen Freiwillige etwas mit ihm unternehmen. Fast schon eine Heimat gefunden hat Marianne Ulm beim Erholungsseminar. Sie ist zum neunten Mal dabei. „Jedes Mal kann ich Ballast ablegen und wieder neu gestärkt an die Pflege herangehen“.
Darin sind sich alle einig: Der persönliche Austausch und die Offenheit untereinander sind ein wertvolles Geschenk. Die Zeit in der Natur, die Bewegung und die Inputs der Referenten formen einen neuen Alltag, neue Gedanken und geben neue Impulse.