Lange schon ein Anliegen

Rahmenplan für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung vorgestellt

Mittwoch, 30. September 2020 | 17:45 Uhr

Von: luk

Bozen – Rahmenpläne für Bildung, Erziehung und Betreuung sind Teil der europäischen Entwicklung für die Qualitätssicherung bei der Arbeit mit Säuglingen und Kleinkindern. Speziell für Südtirol wurde nun von der Freien Universität Bozen ein solcher Rahmenplan im Auftrag der Familienagentur ausgearbeitet. Am heutigen Mittwoch haben ihn Landesrätin Waltraud Deeg, Prof. Ulrike Loch und Forscherin Laura Trott, und Verena Buratti von der Familienagentur an der Fakultät für Bildungswissenschaften in Brixen vorgestellt.

Die EU unterstreicht explizit in ihrem Bildungsdokument von 2019, dass der Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung ein Recht aller Kinder sei. In Südtirol hat die Freie Universität Bozen gemeinsam mit der Familienagentur ein wissenschaftliches Dokument ausgearbeitet, den Rahmenplan für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung, der künftig einen gemeinsamen Standard für die Betreuung darstellen wird.

Lange vor der schwierigen Situation des Lockdowns war es der Familienagentur ein Anliegen, einen solchen Rahmenplan auszuarbeiten, auf dessen Basis südtirolweit der Zugang aller Kinder zu hochwertigen Angeboten für frühkindliche Betreuung gewährleistet werden sollte. Denn, um nochmals den Rat der EU zu zitieren, eine solche „Erziehung trägt zu ihrer (den Kindern, A.d.R.) gesunden Entwicklung und ihrem Bildungserfolg bei, hilft beim Abbau sozialer Ungleichheiten und verringert die Kompetenzlücken zwischen Kindern mit unterschiedlichem sozioökonomischem Hintergrund. Ein gerechter Zugang ist auch ausschlaggebend, wenn gewährleistet werden soll, dass Eltern, insbesondere Frauen, über die für den (Wieder-) Einstieg ins Arbeitsleben nötige Flexibilität verfügen.“

In diese Kerbe schlug bei der heutigen Vorstellung Landesrätin Waltraud Deeg: „Wir möchten mit diesem Rahmenplan allen Kindern in unserer Provinz eine qualitativ gleichwertige Betreuung garantieren, die zugleich auf die lokalen Besonderheiten eingeht und die Bedürfnisse der Kinder und der Familien in den Mittelpunkt stellt“, umriss die Landesrätin für Familie die Ausgangssituation.

Im Rahmenplan finden sich die Grundlagen für landesweit gültige, qualitativ gleichwertige Rahmenbedingungen für Bildung, Erziehung und Betreuung in allen Kinderhorten, Kindertagesstätten und in den Tagesmütter-/ Tagesväterdiensten. Der Südtiroler Rahmenplan fügt sich damit in die europäische Entwicklung der Erarbeitung von Bildungs- und Erziehungsplänen und der vermehrten Beachtung des Lebensabschnittes bis 3 Jahren ein.

Die wissenschaftliche Leitung des Rahmenplans hielt Prof. Ulrike Loch inne. Sie lehrt an der Fakultät für Bildungswissenschaften das Fach Soziologie kultureller und kommunikativer Prozesse: „Die Intention von Erziehung ist es, Kindern entwicklungsangemessen Teilhabe in ihrer sozialen Umwelt zu ermöglichen. Daher hat der Rahmenplan die grundlegenden Begriffe Bildung, Erziehung und Betreuung definiert und stellt somit zukünftig das gemeinsame Fundament für die professionelle Praxis in den Kleinkindbetreuungsdiensten dar, denn eine qualitativ hochwertige Betreuung bedarf der Konzeptionalisierung.“ Zu den Besonderheiten Südtirols gehören sicher die Dreisprachigkeit des Landes und die starke Familienorientierung, die in der pädagogischen Arbeit und im Rahmenplan professionell berücksichtigt werden.

Eine Herausforderung beim Verfassen dieses gemeinsamen Rahmens bestand darin, die unterschiedlichen Theorietraditionen, vor allem im deutschen und im italienischen Sprachraum mit ihren unterschiedlichen Begriffsbildungen zu berücksichtigen. Viele dieser Theorietraditionen sind derzeit vor allem parallel im Alltag der Kleinkindbetreuungsdienste zu beobachten. Während des partizipativen Forschungsprozesses haben die Forscher*innen nach Möglichkeiten der Übersetzbarkeit der unterschiedlichen Konzepte und der Verknüpfung gesucht, um das Nebeneinander der theoretischen Ausrichtungen in der Südtiroler Betreuungspraxis in einen dialogischen Prozess zu bringen.

In Auftrag gegeben wurde der Rahmenplan von der Familienagentur: „Der Rahmenplan ist in zweijähriger Zusammenarbeit mit einem partizipativen Ansatz zwischen der Familienagentur und der Freien Universität Bozen als Projektverantwortliche sowie den Trägern und Fachkräften der Kleinkindbetreuungsdienste und den Landesfachschulen für Sozialberufe entstanden“, umreißt die Projektleiterin der Familienagentur, Verena Buratti, den Entstehungsprozess. Dass die Träger der einzelnen Betreuungsdienste auch weiterhin viel Freiheit in ihrer Arbeit haben werden, sei ausdrücklich festgelegt. „Wir haben die Orientierungslinien für qualitativ hochwertige Betreuungsstandards festgelegt, die den Trägern auch weiterhin die Verantwortung für das Ausgestalten von qualitativ gleichwertigen frühpädagogischen Angeboten ermöglichen.“

Für die Ausarbeitung besuchte Laura Trott, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Bildungswissenschaften, zahlreiche Einrichtungen: „Die Fachkräfte der Kleinkindbetreuungsdienste begleiten die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder durch reflexive Beziehungs- und Interaktionsgestaltung. Sie ermöglichen den Kindern das Kennenlernen und die Auseinandersetzung mit Werten, wie Gemeinschaft, Ehrlichkeit und Freundschaft, die dem Zusammenleben in der Gesellschaft dienen.“ Trott hat bei ihren Besuchen verschiedene Situationen der Betreuungsarbeit aufgezeichnet und diese konsequent mit theoretischer Bezugnahme in den Rahmenplan aufgenommen.

Wie wichtig die Arbeit in den Kleinkindbetreuungsdiensten ist, hat die Zeit des Lockdowns und die Folgezeit gezeigt, in der die Kleinkindbetreuungsdienste mit dazu beitragen, Familien und vor allem Frauen zu entlasten und Strukturerhalter*innen – wie Fachkräften des Gesundheitsbereichs – das Fortsetzen ihrer Arbeit zu ermöglichen.

„Wir hoffen, dass durch die vorliegende Arbeit die Bedeutung frühkindlicher Bildungsprozesse sichtbarer wird und die wertvolle Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsleistung der Fachkräfte eine größere, gesellschaftliche Anerkennung erfährt“ schloss Carmen Plaseller, die Direktorin der Familienagentur, die heutige Vorstellung.

 

Online ist der Rahmenplan hier nachzulesen.

Bezirk: Bozen