Von: mk
Salvador di Bahia/Brixen/Gsies – Am Donnerstag öffnete das Kulturzentrum Aguas Claras im Randbezirk Cajazieras der brasilianischen Millionenstadt Salvador di Bahia das erste Mal seine Türen. Trauten sich die Einwohner bis vor einem Jahr nicht mehr einmal auf die Straßen des Viertels, das von Drogendealern besetzt wurde, schöpfen die jungen Familien nun wieder Hoffnung. Durch das Zutun eines großzügigen Südtiroler Spenders aus Gsies, die enge Zusammenarbeit mit der oew und die Unterstützung des Amtes für Kabinettsangelegenheiten konnte das Gebäude kürzlich fertiggestellt werden.
Als die jungen Eltern und Kinder, die für den Bau eines neuen Kulturzentrums in Cajazieras gekämpft hatten, gestern das erste Mal das frisch gestrichene, rote Tor passierten, standen ihnen die Tränen in den Augen. Noch vor einem Jahr war die Straße, in der das am Donnerstag eröffneten Kulturzentrum heute steht, völlig verlassen gewesen. Das Stadtviertel, in dem vor allem vom Land zugezogenen Familien lebten, war in den vorherigen Jahren zu einem berüchtigten Umschlagplatz für Drogendealer und Bandenkämpfe geworden und kaum eine*r der Anwohner*innen hatte sich noch alleine auf die Straße gewagt.
Pina Rabbiosi, die Leiterin des erfolgreichen Sozialprojektes „Casa do sol“, das sie 1997 zusammen mit dem später ermordete Südtiroler Missionars Luis Lintner gegründet hatte, erfuhr vom Vorhaben einiger junger Eltern, mit einem „Espacio cultural“ für Kinder und Jugendliche das Stadtviertel wiederzubeleben. Sie wandte sich an das Amt für Kabinettsangelegenheiten in Bozen und an einige ihrer langjährigen Unterstützer*innen in Südtirol und wurde fündig: Ein großzügiger Spender aus Gsies beschloss, vor dem Pensionseintritt mit seiner Abfindung das Grundstück für das neue Kulturzentrum zu finanzieren.
Auf Anfrage der oew, welche die Projekte von Pina Rabbiosi schon seit ihren Anfängen vor mehr als 20 Jahren unterstützt, wurde schließlich auch der Antrag zur Finanzierung des Umbaus vom Amt für Kabinettangelegenheiten des Landes Südtirol genehmigt. Nach einem Jahr intensiver Arbeiten am Gebäude wurde das Haus, in dem unter anderem eine Kinderbetreuungsstätte, Tanz- und Trommelkurse für Kinder und Jugendliche, eine Theatergruppe, eine Bibliothek und ein Lesezirkel Platz finden sollten, im November 2018 fertiggestellt.
Dabei war der Umbau kein leichtes Unterfangen – immer wieder wurden die Arbeitenden von den Drogenbanden drangsaliert. Am Ende aber gewann der Mut.
„Viele Menschen aus der Nachbarschaft haben am Gebäude mitgeholfen und selbst Hand angelegt“, erklärt Pina Rabbiosi. Ihr Mut habe sich bezahlt gemacht, denn im Laufe des Jahres hätten selbst die verfeindeten Banden den guten Zweck des Zentrums erkannt.
„Unsere Erfahrung hat uns gezeigt, dass es durchaus möglich ist, auch in einer von Gewalt und Angst geprägten Umgebung geschützte Orte zu schaffen, die den Menschen ihre Hoffnung und Unabhängigkeit zurückgeben“, so Rabbiosi. Vor allem Kinder und Jugendliche bräuchten geschützte Orte, an denen sie ihre Freizeit ohne Angst verbringen und eine Perspektive für die Zukunft fern von Drogen und Gewalt entwickeln können.
Dass das nur durch das Zutun vieler Mitwirkender geschehen kann, weiß die Boznerin Elisabeth Avi aus erster Hand. Sie kennt die Projekte in Salvador de Bahia noch aus der Zeit von Luis Lintner und hat seitdem nicht aufgehört, an der Wirkungskraft weniger Einzelner zu glauben: „Was mich an der Casa do sol und nun auch an Aguas Claras so begeistert, ist das grenzenlose Engagement der vielen Mitwirkenden. Vor allem die Frauen setzen oft ihre ganze Begeisterung und Freizeit ein, obwohl sie selbst kaum Geld zum Leben haben. Und davon profitieren am Ende vor allem die ärmsten Kinder, auf die sonst niemand schaut.“
Etwas, das dieses Mal auch durch das Zutun vieler Südtiroler*innen Gestalt angenommen hat. oew-Geschäftsführer Matthäus Kircher betont: „Der Erfolg dieses Projektes zeigt uns, wie sehr es Sinn macht, sich spontan für Benachteiligte hier und anderswo einzusetzen und ihnen dadurch die Mittel zu geben, selbst für ihre Rechte einzustehen. Das macht eine soziale Gesellschaft aus.“