Von: apa
Es ist nicht das ideale Jahr, um Antonio Salieri hochleben zu lassen. Jahresjubilar Johann Strauss überstrahlt alles, und der ebenfalls bedeutende Komponist Salieri schaut wieder einmal durch die Finger. Aber was soll man machen, wenn im nahenden Mai der 200. Todestag ansteht?! Das Schicksal, von wichtigen Kollegen in den Schatten gestellt zu werden, scheint einfach zu Salieri zu gehören, der als Mozart-Zeitgenosse primär dank des irrigen Ruf des Kollegenmörders bekannt ist.
Amtsnachfolger will er keiner sein
Jürgen Partaj lässt sich davon jedenfalls nicht beirren. Er ist seit 2019 als Direktor der Wiener Hofmusikkapelle gleichsam Salieris Amtsnachfolger – auch wenn er das selbst eigentlich gar nicht gerne hört. “Ich bin sehr vorsichtig mit dem Begriff ‘Amtsnachfolger’, der mir in meiner eigenen Überzeugung nicht zusteht. […] Salieri musste etwa auch komponieren für die Hofmusikkapelle – und ich wünsche niemandem, dass aus meiner Feder eine Messe kommt!”, zeigt sich der Violinist der Band Bratfisch selbstironisch. Der mit 36 Berufsjahren dienstälteste Hofkapellmeister in der 527-jährigen Geschichte der Institution ist also immer noch übermächtig.
Und doch ist der Komponist Salieri heute nur mehr in Restspuren präsent im Musikbetrieb – ein Umstand, den Partaj als Intendant des heurigen Festivals “Salieri 2025” ändern möchte. Dafür hat sich der 1977 geborene Wiener auf die Fährte des Jubilars gemacht und dabei einige Preziosen zutage gefördert. “Es war sehr schön, von einer Spurensuche zur Schatzsuche zu wechseln”, erinnert sich Partaj an die Recherchen, die ihn auch in die Kleinstadt Legnago führte, Salieris Geburtsort.
Feierreigen zu Ehren des Jubilars
Am Ende steht nun ein ganzer Feierreigen, bei dem nicht nur die Hofburgkapelle genutzt, sondern mit zahlreichen Institutionen kooperiert wird. Der Rote Faden dabei: Das Bunte. “Die Breite war mir wichtig, damit alle Bevölkerungskreise die Chance haben, den ersten oder auch den 27. Schritt mit Salieri gehen zu können”, umreißt Partaj die Stoßrichtung.
So gab es heuer Salieri beim Akkordeon-Festival zu hören, ebenso beim laufenden Übergänge-Festival. Der Komponist steht bei der Schubertiade in Dürnstein am 25. April am Programm und auch beim Wir-sind-Wien-Festival (1. bis 23. Juni).
Am Salzburger Landestheater feiert am 26. April die Salieri-Oper “Die verdrehte Welt – Il mondo alla rovescia” Premiere, deren Grundfragen zu den Geschlechterrollen und den Machtstrukturen von Alexandra Liedtke inszeniert wird. Einen Tag davor veranstaltet man in den Kammerspielen bei freiem Eintritt ein öffentliches Symposium mit Experten und dem Leading Team der Oper zum Oeuvre des Komponisten.
Für die Hofmusikkapelle – bestehend aus den Sängerknaben, Mitgliedern des Herrenchors und des Staatsopernorchesters – stellt indes der 27. April fraglos einen der Höhepunkte dar, wenn Salieris Missa in D-Dur unter Leitung von Jimmy Chiang gespielt wird. Im Goldenen Saal des Musikvereins lässt Salieri-Freund Riccardo Muti dann am 17. und 18. Mai gemeinsam mit der Hofmusikkapelle die Hofkapellmeister-Messe und sein “Lob der Musik” erklingen.
Todestag am 7. Mai
Da ist der eigentliche Todestag am 7. Mai bereits Geschichte, an dem das von Salieri bereits 21 Jahre vor seinem Tod selbst verfasste Requiem in der Hofburgkapelle von Studierenden des Antonio Salieri Instituts der Mdw gespielt wird. “Man sagt ja immer, man solle sich schon mit 40 Jahren mit dem eigenen Testament auseinandersetzen. Vielleicht hat er sich das auch gedacht”, erklärt sich Partaj das frühe Agieren des Tonsetzers in puncto der eigenen Todeswürdigung. Ebenfalls am 7. Mai ist im Instituto Cervantes ein Gespräch mit Musikern angesetzt und im Brahms-Saal des Musikvereins ein Konzert mit ausgewählten Werken des Meisters und seiner Schüler.
Die Mdw hat ein Symposium sowie ein Musiktheaterprojekt am 9. Mai im Angebot, und am 21. Mai, am 4. und 11. Juni werden drei Auftragsdramolette von Thomas Perle, Lisa Went und Miriam Unterthiner in der Hofburgkapelle gespielt – respektive am 28. Juni im Schlosstheater Schönbrunn. Und das ist noch nicht alles für heuer. “Bisher sieht man ja nur das erste Halbjahr – das zweite folgt noch…”, macht Partaj jedenfalls neugierig.
Kollegiales Verhältnis mit Mozart
Geht der Plan auf, dann ist Antonio Salieri nach dem laufenden Gedenkjahr in der breiten Bevölkerung für mehr bekannt als den Nimbus, Mozarts Mörder zu sein – ein Gerücht, das klar widerlegt ist, macht Partaj deutlich. Vor kurzem wurde eine Kantate mit dem Titel “Per la ricuperata salute di Ofelia” wiederentdeckt – verfasst zur Genesung der gefeierten Sopranistin Nancy Storace, und zwar von Mozart und Salieri gemeinsam (unter Beteiligung eines unbekannten Dritten). Auch nahm Salieri einst Messen von Mozart ins Repertoire der Hofmusikkapelle und setzte sich erfolglos dafür ein, dass Mozart in der Karlskirche eine Statue erhält. Der wiederum ließ seinen Sohn Franz Xaver vom älteren Kollegen unterrichten. “Auf vielen Ebenen war es ein kollegiales Verhältnis”, ist Partaj mithin überzeugt: “Salieri hatte einfach dasselbe Problem wie Henrik Kristoffersen. Der ist ein großartiger Skifahrer. Er hatte nur das Pech, gleichzeitig mit Marcel Hirscher zu fahren.”
Star bei den “Simpsons”
Der Kristoffersen der Klassik ist immerhin in zwei Folgen der Kultserie “Die Simpsons” zu sehen und erhält unter dem Titel “Neuentdeckung eines Verkannten” nun ein eigenes, von Markus Böggemann herausgegebenes Lesebuch, das am 30. April in der Hofburgkapelle präsentiert wird. “Der Mann hat wirklich viel bewegt in Europa, in Wien und war musikalisch sehr prägend”, wundert sich Partaj in keiner Weise über den Erfolg des gebürtigen Italieners.
Dieser dient Jürgen Partaj bis heute als Quelle für die eigene Inspiration, die er sich bisweilen ganz unmittelbar vom Kollegen holt. “Ich fahre immer wieder zum Zentralfriedhof, zum Ehrengrab von Salieri. Das ist ein bisschen schräg, aber dazu stehe ich.” Um diese Verehrung auf breitere Beine zu stellen, gibt es die Überlegung, heuer eine Salieri-Gesellschaft zu gründen. “Das ist noch ein ergebnisoffener Prozess, es soll schließlich keine Totgeburt werden”, macht Partaj deutlich, der noch eine dringende Bitte an einen Unbekannten formuliert: “Salieri hatte einen Walk-of-Fame-Stern auf der Kärntner Straße, der bei deren Sanierung aber verloren gegangen ist. Wer den Stern hat, der soll sich bitte melden!”
(S E R V I C E – www.salieri2025.at/)
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