Ingeborg Bachmann bekommt Sonderbriefmarke

Sondermarke zum 50. Todestag von Ingeborg Bachmann

Mittwoch, 11. Oktober 2023 | 12:00 Uhr

Von: apa

Am 17. Oktober 1973 starb die Dichterin Ingeborg Bachmann im Alter von 47 Jahren in einem römischen Krankenhaus an den Folgen eines Brandes in ihrer Wohnung. Wegen einer langjährigen starken Medikamentenabhängigkeit, die nicht rechtzeitig erkannt wurde, hatten sich bei Behandlung Komplikationen eingestellt. Rund um den 50. Todestag gibt es eine Reihe von Gedenkveranstaltungen, Lesungen oder Buch-Neuerscheinungen. Auch eine Sonderbriefmarke wird aufgelegt.

Auf der 95-Cent-Marke, mit der die neue Sonderbriefmarkenserie “Literatur aus Österreich” eröffnet wird, ist neben einem Porträt der Dichterin das Zitat “Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar” zu lesen, das aus ihrer Dankesrede anlässlich der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden 1959 stammt. Gestaltet wurde die Briefmarke von Roland Vorlaufer, sie hat eine Auflage von 300.000 Stück.

Am Freitag (13. Oktober) startet Margarethe von Trottas Film “Ingeborg Bachmann – Die Reise in die Wüste” in den österreichischen Kinos. Von Trotta verwebt darin als Drehbuchautorin und Regisseurin zwei zentrale Stränge im Leben der von Shootingstar Vicky Krieps verkörperten Schriftstellerin – ihre Beziehung mit Max Frisch (Ronald Zehrfeld) sowie eine nach der Trennung gemeinsam mit dem jungen Wiener Autor Adolf Opel (Tobias Resch) erfolgte Reise in die ägyptische Wüste. Das Österreichische Kulturforum Rom veranstaltet u.a. am 17., 18. und 19. Oktober gemeinsam mit dem Goethe-Institut und dem Italienischen Institut für Germanistik eine internationale Konferenz mit dem Titel “Ingeborg Bachmann – Konstellationen in Rom”.

Der ORF würdigt Bachmann mit einem Schwerpunkt-Programm, etwa mit dem Porträt “Ähnlichkeiten mit Ingeborg Bachmann” (16. Oktober, 23.15 Uhr, ORF 2). Erstmals spricht darin auch ihr Bruder Heinz Bachmann vor der Kamera und führt durch das Haus ihrer Kindheit in Klagenfurt, wo sich noch heute Ingeborg Bachmanns Habe befindet. Heinz Bachmann hat kürzlich im Piper Verlag ein sehr persönliches Erinnerungsbuch an “Ingeborg Bachmann, meine Schwester” herausgegeben. Am 9. November liest er im Theatermuseum Wien daraus. Von Uta Degner erscheint am 16. Oktober bei wbg Theiss der Bildband “Ingeborg Bachmann – Spiegelungen eines Lebens”, der selten gezeigte Fotografien aus dem Familienbesitz enthalten soll.

Am Todestag am 17. Oktober veranstaltet die Autorin und Filmemacherin Barbara Kaufmann um 20 Uhr in der Roten Bar des Volkstheaters mit Nick Romeo Reimann die audiovisuelle Leseperformance “Die Verhöre der Ingeborg Bachmann” mit Filmbeiträgen, Musik und originalen Interviews mit der Dichterin. Die nächste Vorstellung der “Malina”-Inszenierung von Claudia Bauer ist im Volkstheater am 28. Oktober angesetzt.

Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 als älteste Tochter eines Schuldirektors in Klagenfurt geboren. Ab 1945 studierte sie in Innsbruck und Graz, später in Wien Philosophie, Psychologie, Germanistik und zeitweise auch Staatswissenschaften. 1950 promovierte sie mit einer Arbeit über “Die kritische Aufnahme der Existenzialphilosophie Martin Heideggers”. Zunächst arbeitete Bachmann als Journalistin, von 1951 bis 1953 war sie beim Sender “Rot-Weiß-Rot” tätig, wo sie u.a. an der Seite von Peter Weiser und Jörg Mauthe die Texte der beliebten Sendereihe “Die Radiofamilie” (erst 2011 in Buchform erschienen) verfasste. Der Durchbruch als Schriftstellerin gelang ihr 1952 bei einer Lesung der Autorenvereinigung Gruppe 47 in Niendorf an der Ostsee. Bachmann war 1954 die erste Lyrikerin auf dem Cover des “Spiegel” und wurde in der Folge zum Literaturstar und zu einer der wesentlichen Exponentinnen feministisch geprägter Literatur.

Mit einer Gedichtwidmung begann am 24. Juni 1948 nicht nur der 20 Jahre andauernde, oft stürmische, und noch öfter von Enttäuschung und Missverständnissen geprägte Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, sondern auch eine Liebe, die dank des 2006 veröffentlichten Briefwechsels breite Beachtung fand. In den folgenden Jahren lebte Bachmann abwechselnd in München (wo sie 1957/58 als Dramaturgin beim Bayerischen Fernsehen tätig war), Zürich, Berlin und Rom. In diesen Jahren entstanden etwa die Gedichtbände “Die gestundete Zeit” (1953) und “Anrufung des Großen Bären” (1956). 1955 schrieb sie das Hörspiel “Die Zikaden”, der Beginn ihrer Zusammenarbeit mit dem Komponisten Hans Werner Henze. 1959/60 hielt Ingeborg Bachmann als erste Gastdozentin für Poetik an der Universität in Frankfurt am Main eine Vorlesungsreihe zum Thema “Probleme zeitgenössischer Dichtung”.

Ihre Wahlheimat war Mitte der 50er-Jahre Rom, durch ihre zeitweilige Lebensgemeinschaft mit dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch hielt sie sich auch oft in Zürich auf. Der Erzählband “Das dreißigste Jahr” (1961) markiert die verstärkte Hinwendung der Schriftstellerin zur Prosa. 1961 wurde sie in die Westberliner Akademie der Künste aufgenommen, 1964 erhielt Bachmann den Georg Büchner-Preis der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, 1968 den Großen Österreichischen Staatspreis und 1971 den Anton Wildgans-Preis der Österreichischen Industrie. In Rom entstanden ihr einziger vollendeter Roman “Malina” (1971), der Erzählband “Simultan” (1972) und die Erzählung “Gier”, die allerdings ebenso ein Fragment blieb wie der Roman “Der Fall Franza” und das “Requiem für Fanny Goldmann”. Der geplante “Todesarten”-Zyklus blieb unvollendet.

Ingeborg Bachmann starb am 17. Oktober 1973, nachdem sie am 26. September in ihrer Wohnung in der Via Giulia schwere Verbrennungen erlitten hatte. Am 25. Oktober wurde sie im engsten Familienkreis auf dem Friedhof Klagenfurt-Annabichl beerdigt. Ihr über 6.000 Seiten umfassender Nachlass befindet sich in der Österreichischen Nationalbibliothek und ist dort im Literaturarchiv einzusehen. Seit 1977 erinnert der alljährlich in Klagenfurt vergebene Ingeborg-Bachmann-Preis an sie.