Von: mk
Meran – Der deutsche Politologe und Buchautor Thomas Casagrande kam am 11. März 2025 an die Wirtschaftsfachoberschule „Franz Kafka“ Meran, um aus seinem neuen Buch „Schatten. Unsere Väter in der Waffen-SS“ (erschienen im Jahr 2024) zu lesen. Anwesend waren alle fünften Klassen der WFO Meran sowie deren Lehrpersonen und der Historiker Leopold Steurer.
Casagrande selbst ist Sohn eines SS-Offiziers namens Otto Casagrande, der sich 1939 als Ortsgruppenführer des VKS (Völkischer Kampfring Südtirols) in Neumarkt freiwillig für die Waffen-SS meldete und dort Karriere machte. Er erlebte sicherlich auch einige Verbrechen mit, davon ist sein Sohn Thomas Casagrande überzeugt, über welche er aber nie direkt sprach. Nach dem Krieg arbeitete Otto Casagrande für den deutschen Geheimdienst und für die Oberfinanzdirektion in Frankfurt, er hatte zwei Söhne, Roland und Thomas. Die Beziehung zu seinem Vater war für Thomas Casagrande immer schwierig, als Kind wurde er oft von ihm geschlagen.
Für sein Buch hat Thomas Casagrande acht Kurzbiographien von SS-Männern erstellt, indem er ihre acht Kinder und fünf ihrer Enkelkinder interviewt hat. Gemeinsam ist diesen Biographien, dass jeder etwas wusste und den Nachkommen berichtet hat, dies war aber immer nur ein ganz kleiner Teil der Ereignisse und auch nur die oft geschönte Perspektive der Täter.
Casagrande selbst hat erst 1994 mit dem Hinterfragen der Vergangenheit seines Vaters angefangen, vier Jahre nach dessen Tod. Daraufhin hat er mit Hochdruck recherchiert und vieles entdeckt, was er nie zuvor gehört hatte. Er beschäftigte sich intensiver mit der Materie und schrieb dazu mehrere Bücher. Auf die Idee für sein neuestes Buch kam er durch Buchvorstellungen an Schulen, da er oft gefragt wurde, wie es ist, ein Sohn eines SS-Mannes zu sein. Daher hat er nach anderen Betroffenen gesucht, um sie zur Vergangenheit ihres Vaters zu befragen.
Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich bei der Lesung interessiert und aufmerksam. Casagrande unterbrach geschickt die Leseteile mit persönlichen Erzählungen. Es wurden auch Fragen gestellt, u.a. wann der Punkt in seinem Leben kam, an dem er seinen Vater begann zu hinterfragen und zu kritisieren, wie es Frauen im NS-System ging, ob es auch sadistische Gründe für das Verhalten mancher SS-Angehöriger gab, ob einige auch unfreiwillig in die SS kamen und ob die Option etwas mit der Geschichte von Südtirolern in der SS zu tun habe.
Die Schulgemeinschaft bedankt sich bei Thomas Casagrande für diese interessanten und persönlichen Einblicke in die Vergangenheit seiner Familie und in die anderer Südtirolerinnen und Südtirolern.
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