Von: bba
Bozen – Überfüllte Hörsäle bei MINT-Fächern? Eine Studie belegt abfallende Studienleistungen bei großen Gruppen.
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik: Studienfächer, die häufig unter dem Kürzel MINT zusammengefasst und mit vielversprechenden Jobaussichten, aber auch einem chronischen Personalmangel assoziiert werden. Was passiert jedoch, wenn die Investitionen, die viele Länder zur Nachwuchsförderung in diesen Fächern unternehmen, endlich Früchte tragen und die Hörsäle zunehmend überfüllt werden? Damit setzt sich eine Studie von Prof. Mirco Tonin von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften auseinander, die klare Empfehlungen an Entscheidungsträger in Politik und Hochschulwesen beinhaltet.
Dass Qualität und Masse sich auch im Bildungsbereich nicht gut vertragen, ist keine Neuigkeit – und einer der Gründe, warum die Freie Universität Bozen mit ihrem vorteilhaften Betreuungsverhältnis von Studierenden und Dozentinnen bei Rankings stets gut abschneidet. Wie sich überfüllte Hörsäle auf die Ausbildungsqualität in den vom Arbeitsmarkt begehrten MINT-Fächern auswirken, war bislang jedoch eine Forschungslücke. Erst recht, wenn sie wie nun in einem in der Economic of Educations Review erscheinenden Paper mit anderen Studienfächern verglichen wird. Unter dem Titel „Class size effects in higher education: Differences across STEM and non-STEM fields” brachte der Ökonom Prof. Mirco Tonin von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der unibz gemeinsam mit zwei weiteren Autoren neue Einsichten zum Zusammenhang von Studienleistung und Gruppengrößen in unterschiedlichen Studiengängen zutage.
Basis dafür war eine Stichprobe von 25.000 Studierenden an einer großen britischen Universität und insgesamt mehr als 190.000 Beobachtungen, die sich über sieben Jahrgänge von Erstsemesterstudierenden aller Fachrichtungen erstreckten. Dies ermöglichte dem Forschungsteam, in ihrer Analyse neben den Unterschieden zwischen MINT-Fächern und anderen Studienfächern auch Faktoren wie den sozio-ökonomischen Status, das Geschlecht und die Fähigkeiten der Studierenden zu berücksichtigen.
Wie die ökonometrischen Analysen ergeben, haben überfüllte Hörsäle generell negative Auswirkungen auf die Noten der Studierenden, wobei bemerkenswerte Unterschiede zwischen verschiedenen Fächern beobachtet wurden. Während die Durchschnittsnote in MINT-Fächern bereits um einen Punkt (von maximal 100) sank, wenn im Hörsaal rund 45 Studierende mehr anwesend waren, trat dieser Effekt in Nicht-MINT-Fächern erst dann auf, wenn die Gruppen um mehr als 143 zusätzliche Studierende wuchsen. Und das in einem universitären Umfeld, in dem im Durchschnitt 150 Studierende einen Kurs belegen, mit einer Bandbreite zwischen fünf und 389 Studierenden. „Es zeigt sich klar, dass die Studienleistung bei großen Gruppen von Studierenden in MINT-Fächern weit stärker abfällt als in Nicht-MINT-Fächern“, erklärt Prof. Mirco Tonin. Darüber hinaus konnte die Studie belegen, dass kleine Gruppengrößen insbesondere Studierenden mit schwachem sozio-ökonomischen Hintergrund sowie – innerhalb der MINT-Fächer – leistungsstärkeren und männlichen Studierende zugutekommen.
„Ausreichend und gut qualifizierten Nachwuchs in MINT-Fächern hervorzubringen, ist für Volkswirtschaften eine wichtige Voraussetzung für technologischen Fortschritt und Wirtschaftswachstum“, unterstreicht Mirco Tonin. Die Ergebnisse der aktuellen Studie beinhalten deshalb eine klare Botschaft für Entscheidungsträgerinnen in Politik und Hochschulwesen: Wenn genügend Ressourcen für ein gutes Betreuungsverhältnis an Universitäten bereitgestellt werden, gibt es eine direkte Rendite in Form besser ausgebildeter Studierenden – und das erst recht in den begehrten MINT-Fächern.