Von: mk
Bozen – Nach ausführlichen Abwägungen und Anhörungen hat Bischof Ivo Muser die Entscheidung getroffen, Paolo Valente, Caritasdirektor und Präsident der kirchlichen Stiftung Caritas Diözese Bozen-Brixen und der Stiftung ODAR, von seiner Verantwortung zu entbinden. Dies hat die Diözese gestern öffentlich mitgeteilt. Doch was steckt hinter der Entscheidung?
Offenbar ist eine Mediation gescheitert. Zuletzt hatte eine Arbeitsgruppe eine „Inspektion“ durchgeführt und im Jänner dem Bischof Bericht erstattet, schreibt die italienische Tageszeitung Alto Adige. Diözesanökonom Franz Kripp wird bis auf Widerruf mit der Leitung von Caritas und ODAR betraut. Kripp war bereits in den Jahren 1991 bis 2002 und dann von 2015 bis Juli 2017 Direktor der Caritas.
Kritik am Führungsstil von Valente war erstmals Ende 2019 bei einer Versammlung mit rund 100 Mitarbeitern laut geworden. Öffentlich wurde die Angelegenheit im Oktober 2020, als eine anonyme E-Mail an die Redaktionen mehrerer Medien verschickt worden war. Im Schreiben wurde Valente vorgeworfen, einen autoritären Führungsstil zu pflegen. Wer seine Ansichten nicht teile, werde benachteiligt, hieß es. Auch einige untergeordnete Führungskräfte der Caritas beklagten sich über den Mangel an Dialog.
In der Zwischenzeit hat sich die Diözese im Stillen mit den Vorwürfen befasst und dabei auch ein klares Ziel verfolgt. Mit der jüngsten Entscheidung, die jetzt nach vielen Gesprächen und Vermittlungsversuchen getroffen wurde, soll „das Vertrauen und die Motivation der Mitarbeitenden in die Caritas, vor allem der Verantwortlichen für die einzelnen Kernbereiche des Caritasdienstes, wiedergewonnen werden“, erklärte Bischof Ivo Muser gestern.
Im Jahr 2014 war Valente zum Direktor der italienischen Caritas ernannt worden. Von 2015 bis 2017 war er Präsident der Stiftung ODAR und Vizepräsident der Stiftung Caritas, bis er im Jahr 2017 Präsident und Direktor von beiden wurde.
Die Caritas habe unter ihren Mitarbeitern, freiwilligen Helfern, Spendern und den Personen, denen geholfen wird, viele gute Menschen, erklärt Valente in einer Stellungnahme laut Alto Adige. „Eine große und gesunde Organisation, die gut verwaltet wird, weckt Interessen. Für die Freiheit wird bezahlt. Machtspiele interessieren mich nicht. Ich bin an einer solidarischen Gesellschaft, am Dienst am nächsten und am Wohl für die Allgemeinheit interessiert“, erklärt Valente. Seine Caritas sei ein Versuch der Zusammenarbeit jenseits der Vorurteile zwischen den Sprachgruppen gewesen.
Nachdem der anonyme Brief bekannt geworden war, hatte Valente damals darauf hingewiesen, dass die Caritas rund 300 Arbeitnehmer beschäftige und eine Bilanz von 22 Millionen Euro verwalte. „Ich bestehe auf eine strenge Führung der Mittel. Was in der Bilanz der Caritas aufscheint, dient nur den Aktivitäten der Caritas“, erklärte Valente gegenüber dem Alto Adige.
Trotz allem verließen allein 2017 bis 2020 zahlreiche Dienststellenleiter aus freien Stücken die Caritas. Persönlichkeiten, die die Organisation wesentlich mitgeprägt hatten, wie Klaus Metz und Paula Tasser kehrten der Caritas den Rücken.
Im Jahr 2021 hat der Bischof die Möglichkeiten einer Mediation ausgelotet. Letzter Rettungsversuch war die oben erwähnte „Inspektion“, die allerdings ebenso wenig zu einer Einigung geführt hat. Valentes Entbindung von seinen Aufgaben ist innerhalb der Caritas in Südtirol wohl ein Schritt, den es zuvor noch nie gegeben hat.