Von: mk
Brixen – Spiritualität ist wichtig – ganz besonders für schwerkranke und sterbende Menschen. Dabei ist Spiritualität etwas zutiefst Individuelles und Persönliches, das von den Betroffenen sehr unterschiedlich erfahren und gelebt wird. Das wurde bei der heutigen Fachtagung deutlich, welche die Caritas Hospizbewegung gemeinsam mit der Cusanus-Akademie in Brixen anlässlich des Welthospiztages unter dem Motto „Welche Spiritualität am Lebensende?“ organisiert hat. Im Beisein von Bischof Ivo, Caritas-Vertretern, Freiwilligen der Hospizbewegung und zahlreichen Interessierten befassten sich Fachleute aus dem In- und Ausland in ihren Referaten mit der Frage, wie eine spirituelle Begleitung am Lebensende gelingen kann.
„Spiritualität ist eine innere Einstellung, die jeder Mensch auf eine ganz persönliche Art und Weise ausdrückt und lebt. Spiritualität gehört demnach zum menschlichen Leben dazu, unabhängig von Religion oder Weltanschauung. Gerade in der letzten Lebensphase kommt der Spiritualität eine wesentliche Bedeutung zu, die es in der Sterbebegleitung ganz besonders zu berücksichtigen gilt“, erklärte Caritas-Direktor Paolo Valente heute bei seiner Begrüßung zur Fachtagung in der Brixner Cusanus-Akademie.
Wie die Sterbebegleitung in spiritueller Hinsicht gelingen kann, darüber diskutierten bei der Fachtagung namhafte Fachleute, darunter die Professorin für Religionswissenschaften an der Universität Wien, Birgit Heller, der Professor für Palliative Care und Organisationsethik an der Universität Graz, Andreas Heller, der Mönch, Priester, Anthropologe und Dozent Padre Guidalberto Bormolini, die Tanatologin und spirituelle Begleiterin Barbara Carrai, der Leiter der Amtes für Liturgie der Diözese Bozen-Brixen, Stefan Huber, und die Philosophin und pädagogische Beraterin Laura Campanello.
Birgit Heller ging in ihrem Vortrag auf die Wahrnehmung des Todes als Basis für die religiös-spirituelle Dimension ein. „Spiritualität ist eine Suche nach Sinn. Sie speist sich aus den großen Fragen des Lebens und kann nicht entwickelt und praktiziert werden ohne den intensiven Blick auf Sterben und Tod.“ Die Tatsache, dass sich spirituelle Modelle für die Vorbereitung zum Sterben in religiösen Traditionen quer durch die verschiedenen Kulturen finden, zeige, dass Glaube bzw. Spiritualität das Sterben erleichtern können. Doch diese allein reichen laut der Wiener Professorin für Religionswissenschaften nicht aus. „Der Glaube baut Brücken, garantiert aber nicht ihre Tragfähigkeit. Jeder universale Maßstab für das Sterben ist prinzipiell fragwürdig“, so Heller. Im Hinblick auf die derzeitige Coronakrise betonte Heller, dass es gerade in Zeiten eines erhöhten und/oder medial inszenierten Todesrisikos Sinn mache, dem Tod ins Gesicht zu blicken und sich mit dem Grundtenor der eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen: „Den Tod anzunehmen und in das eigene Leben hineinzunehmen, ermöglicht Selbstentwicklung und persönliches, spirituelles Wachsen und Reifen, aber auch bewussteres und menschlicheres Zusammenleben, wesentlichere Beziehungen, tiefere Freundschaften und entschiedenere Liebe.“
Wie sehr existentielle und spirituelle Fragen angesichts des baldigen Todes in den Vordergrund rücken, zeigte die Tanatologin und spirituelle Begleiterin Barbara Carrai auf: „Wenn ein Mensch palliativ versorgt wird, dann wird die Unausweichlichkeit des Todes für ihn selbst und für seine Angehörigen zu einer Tatsache, mit der sich viele bisher noch nicht befasst hatten. Existentielle und spirituelle Fragen tauchen in einer Plötzlichkeit und Heftigkeit auf, die für viele Betroffene quälend ist. Eine angemessene spirituelle Begleitung kann helfen, dieses schmerzvolle Warten auf den Tod in eine bereichernde Phase zu verwandeln“. Dafür müsse in der Palliativpflege aber noch einiges auf den Weg gebracht werden. Denn obwohl auch die Weltgesundheitsorganisation WHO die spirituelle Begleitung als einen wesentlichen Bestandteil der palliativen Betreuung von Schwerkranken und Sterbenden empfehle, werde dieser Bereich noch immer vernachlässigt. „Wir müssen dringend Einsatzmodelle entwickeln, die uns eine ganzheitliche Pflege ermöglichen – eine Pflege, die nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische, soziale und spirituelle Dimension im Menschen berücksichtigt”, betonte Carrai.
In Südtirol setzen sich die 200 ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Caritas-Hospizbewegung für die spirituelle und soziale Dimension in der Sterbebegleitung ein. „Sie schenken sterbenden und trauernden Menschen in unserem Land Zeit, Zuwendung und Aufmerksamkeit und gehen auf ihre individuellen Bedürfnisse ein. Auch die Spiritualität als Sinn- und Transzendenzerfahrung, die jede und jeder in seiner ganz eigenen Weise lebt und ausdrückt, ist Teil dieser Begleitung und ereignet sich in der Begegnung zwischen Begleiteten und Begleitern.“, erklärte Agnes Innerhofer, die Leiterin der Caritas Hospizbewegung. In diesem Sinne könne jede Tätigkeit eine spirituelle Dimension beinhalten.
Die Begleitung für sterbende und trauernde Menschen der Caritas Hospizbewegung kann unentgeltlich in Anspruch genommen werden. Gut ausgebildete Freiwillige aller drei Sprachgruppen sind dafür landesweit im Einsatz. Für nähere Informationen können sich Interessierte an die Büros der Caritas-Hospizbewegung, in Bozen (Marconistraße 7, Tel. 0471 304 370, hospiz@caritas.bz.it), Meran (Galileo-Galilei-Straße 84, 0473 495 631), Brixen (Bahnhofstr.27a, 0472 268418), Bruneck (Paul von Sternbachstr. 6, 0474 413 978 und Schlanders (Hauptstr.131, 366 58 89 441) wenden.