Von: mk
Bozen – Die Wiedereinführung der schriftlichen Prüfung in der Erstsprache bei der Matura wurde italienweit heftig diskutiert – und rückte ein Thema wieder ins Rampenlicht, das Lehrkräften und der Sprachwissenschaft seit einiger Zeit Sorgen bereitet: Die Schreibgewohnheiten und -fähigkeiten der Jugendlichen haben sich verändert, und das nicht immer zum Besseren. Erst vor wenigen Jahren hat sich eine Gruppe von 600 italienischen Universitätsdozenten in einem offenen Brief an die Regierung darüber beklagt, dass Studentinnen und Studenten verschiedener Fakultäten allzu oft in einem schlechten Italienisch schreiben. In der Tat haben die INVALSI- und PISA-Tests – die nationalen und internationalen Programme zur Bewertung des Lernniveaus – zwischen 2010 und 2019 die Schreib-, Lese- und Textverständnisfähigkeiten in italienischen Schulen als mittelmäßig eingestuft. Vor diesem Hintergrund führt Eurac Research ein Forschungsprojekt durch, das möglichst alle Südtiroler Oberschulen in italienischer Sprache umfassen soll. Ziel der Studie ist es, die Schreibkompetenz der Jugendlichen zu untersuchen und besser zu verstehen, was ihr Schreiben beeinflusst.
Ein Text kann grammatikalisch korrekt, aber trotzdem in sich nicht ganz stimmig sein. Die Art und Weise, wie Inhalte dargelegt und miteinander verknüpft werden, kann beim Lesen zu „Stolpersteinen“ oder Missverständnissen führen. „Jenseits der grammatikalischen Regeln können Texte Probleme in ihrer Logik aufweisen“, erklären die Linguistin Chiara Vettori und der Linguist Lorenzo Zanasi von Eurac Research, sie leiten die ITACA-Studie. „Das passiert auch in Texten, die in unserer Muttersprache geschrieben sind, also in der Sprache, die wir am besten können. Wir wollen verstehen, warum das so ist.“
Nach ersten Pilotstudien Ende des vergangenen Frühjahrs ist das Forschungsteam nun dabei, eine statistisch signifikante Stichprobe zu sammeln. „Wir bedanken uns herzlich bei den elf Schulen, die trotz der pandemiebedingten Schwierigkeiten jetzt schon am Projekt teilnehmen. Derzeit nehmen wir Kontakt zu den übrigen Schulen auf und freuen uns über alle, die der Einladung folgen, um gemeinsam mit uns ein so spannendes Thema anzugehen“, so Vettori und Zanasi weiter. Das Ziel ist es, Daten von etwa 700 Schülerinnen und Schülern der vierten Oberschulklassen zu erheben, die aus einer überwiegend italienischsprachigen Familie stammen. Bei der Teilnahme beantworten sie einen Fragebogen, führen Übungen zum Textverständnis und zur Überprüfung der allgemeinen Sprachkompetenz durch und schreiben einen Erörterungstext. Das gesammelte Material wird sowohl manuell als auch mit Hilfe spezieller Software analysiert, um das Maß an Textqualität zu überprüfen.
Das Forschungsteam analysiert auch, welche Faktoren das Schreiben beeinflussen könnten: Wirkt sich beispielsweise ein straffer Zeitplan in und außerhalb der Schule auf die Sprache und auf die Verknüpfung von Textinhalten aus, weil immer weniger Zeit fürs Lesen verfügbar ist? Das Team untersucht auch, ob die Angewohnheit, Texte durch Scrollen im Internet zu überfliegen, dazu führen kann, dass Prüfungsaufgaben schlechter verstanden werden. „Durch solche Studien erfahren wir mehr über das schulische Schreiben, mit seinen Regeln und Prinzipien. Aber es geht nicht nur um die Theorie: Indem wir Erklärungen anhand der Daten liefern, wollen wir den Lehrkräften auch nützliche Hinweise für den Unterricht geben“, erklärt Andrea Abel, Leiterin des Instituts für Angewandte Linguistik von Eurac Research.
Ergebnisse aus der Studie werden im Laufe des Jahres 2023 erwartet.